Rheinische Post Hilden

Eine Liebeserkl­ärung mit Gänsehaut

- VON JÖRG KLEMENZ

Die Künstler der Internatio­nal Jazznight machten den Abend in der Stadthalle zu einem unvergessl­ichen Erlebnis.

HILDEN Die Antwort auf meine (Nach-)Frage, welche Gemeinsamk­eit denn die WDR Big Band mit der Kölner Karnevalst­ruppe Black Fööss habe, gibt mir eine Viertelstu­nde vor Konzertbeg­inn Ewa Jeschonek im Foyer der Hildener Stadthalle mit einem Glas Weißwein in der Hand: „Die zentrale Bühnenplat­zierung, die Black Fööss machen das auch!“Und eben dieser konträre Charakter legte sich wie ein seidenes Tuch, Neugier erweckend und fast unbemerkt über die gesamte Internatio­nal Jazznight. Inkarnatio­n dieser entzückend­en Mischung aus klassische­n und modern-mutigen Elementen an diesem lauen Sommeraben­d ist Magda Giannikou. Die 37-jährige quirlige Jazzsänger­in mit griechisch­en Wurzeln fegt zunächst durch die um die Band aufgestell­ten Stuhlreihe­n hin in die trapezförm­ig angelegte, musikalisc­h agierende Mitte; ein starker, kraftvolle­r Konzertauf­takt „Like someone in love“. Ihr dezent dunkelblau­es Abendkleid, es passt gut hinein in den feierliche­n Rahmen. Doch aufmerksam­e Beobachter der ersten Reihe erkennen schnell in Giannikous Barfüßigke­it das Geheimnis ihrer energiegel­adenen Läufe ohne Sturz durch die Publikums- und Musikerrei­hen. Leichtfüßi­g lässt die Athenerin und bekennende Weltbürger­in, die in New York zuhause ist, das Publikum eintauchen in die Sphäre einer Liebesgesc­hichte zwischen Wind und Meer. Und weil diese Beiden die fast undurchdri­ngliche Komplexitä­t ihrer Gefühle füreinande­r und für die Welt mithilfe einer menschlich­en Sprache nicht auszudrück­en imstande sind, so bliebe am Ende nur noch die Musik, sinniert Giannikou hinter der Bühne zwischen Aufbruch und Einkehr. Dabei paart sich abwechslun­gsreiche musikalisc­he Stilistik mit sprachlich­er Vielfalt. Rumba- und Sambarhyth­men erhitzen die niederrhei­nischen Gemüter - obwohl das hier angelegte Schlagzeug- und Percussion­solo der Big Band hätte ruhig etwas innovative­r ausfallen können - sensible französisc­he Chansons, die in einem erfrischen­den Kontrast zum klassisch angelegten amerikanis­chen Big-BandSound stehen, lassen gleichzeit­ig Bilder der Brooklyn Bridge und des Eiffelturm­s in den Köpfen der Zuschauer entstehen. Weil jedoch diese Art der passiven Publikumst­eilnahme den beiden Gastmusike­rn - auch der aus Kolumbien stammende Juan Andres Ospina, bedeutende­r Komponist in der jungen amerikanis­chen Big-Band-Szene und verantwort­licher Arrangeur des Projek- tes „Pure Sounds“, das er zusammen mit der WDR Big Band ausarbeite­te - bei weitem nicht ausreichte, kreierten sie mithilfe spontan erzeugter Begriffe einiger Zuschauer eine musikalisc­he Liebeserkl­ärung der Sonnenstra­hlen an das Meer. Nicht nur der in diesem Moment zu hörende choralarti­ge Publikumsg­esang war pur, sondern auch die dadurch erzeugte Gänsehaut war nicht zu leugnen. Als schließlic­h einige Minuten später kurz nach zehn die New Yorker Jazzgigant­en Larry Goldings (hammond B3), Peter Bernstein (gui) und Bill Stewart (dr) den Konzertsaa­l betreten, ist jedes Husten, jedes Geflüster, jedwede Geräuschku­lisse für einen Moment wie weggeblase­n. Die drei durchstoße­n dieses vor Ehrfurcht entstanden­e Vakuum der Stille mit einem Song ihres neuen Albums „Ramshackle Serenade“souverän. Orgel, Gitarre und Schlagzeug sorgen für ein musikalisc­hes Outing mit höchst ausdruckss­tarkem und teilweise kryptische­m Orgeltrioj­azz. „I love the next song und you will love it too“, flüstert Goldings süffisant ins Mikrofon. Ja, es wurde eine entspannte Nacht.

 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? Magda Giannikou ist eine der wichtigste­n Künstlerin­nen der jungen New Yorker Szene. Sie wurde von der WDR Big Band begleitet. Sängerin und Musiker standen diesmal nicht auf der Bühne der Stadthalle, sondern waren mitten im Publikum platziert.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH Magda Giannikou ist eine der wichtigste­n Künstlerin­nen der jungen New Yorker Szene. Sie wurde von der WDR Big Band begleitet. Sängerin und Musiker standen diesmal nicht auf der Bühne der Stadthalle, sondern waren mitten im Publikum platziert.

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