Rheinische Post Hilden

MICHAEL KOBR UND VOLKER KLÜPFEL Heimatlieb­e darf nicht ausgrenzen

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW

Der legendäre Ermittler aus dem Allgäu ist wieder da: Kommissar Kluftinger. Mit dem jubiläumst­rächtigen zehnten Band hat das Autorenduo die Erfolgsges­chichte weitergesc­hrieben und wird am Dienstag aus dem Roman in Düsseldorf lesen.

Als mit „Milchgeld“die Geschichte des vielfach bemerkensw­erten Ermittlers Kluftinger begann, ahnte noch niemand, welche Kultfigur er werden sollte. 15 Jahre später sind alle klüger: Über sechs Millionen mal sind die Krimis um den Allgäuer Kommissar bereits gekauft worden. Übersetzun­gen folgten – für Fans unter anderem in Japan und Taiwan, Italien, Polen, Russland und der Türkei. Jetzt haben Michael Kobr und Volker Klüpfel, die einander seit der gemeinsame­n Schulzeit auf dem Gymnasium in Kempten kennen, den zehnten Kluftinger­Band publiziert. Am Dienstag lesen sie daraus im Savoy-Theater Hat man es als Krimiautor eigentlich geschafft, wenn es hierzuland­e schon als Enthüllung gehandelt wird, wenn mit dem zehnten Band das Geheimnis um den Vornamen des Kommissars gelüftet wird? KLÜPFEL Kommt drauf an, was Sie unter geschafft verstehen. Was man im oben geschilder­ten Fall sicher geschafft hat, ist, eine Figur zu schaffen, an der die Leser Anteil nehmen, mit der sie sich identifizi­eren, die sie einfach interessie­rt, und sei es „nur“der Vorname. Wenn Sie Erfolg meinen, da dient als Gradmesser sicherlich eher die Bestseller­liste, aber auch nach diesem Maßstab können wir nicht klagen. Kommissare, die keine Helden mehr sind, sondern ein Jedermann mit den dazugehöri­gen Schwächen, gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Worin unterschei­det sich Kluftinger von all den anderen Ermittlern? KLÜPFEL Ihre Aussage stimmt vielleicht für den Moment, allerdings nicht für die Zeit, in der wir angefangen haben. Da waren Kommissare gescheiter­te Persönlich­keiten, depressiv, krank, alkoholsüc­htig, mit zerrüttete­n Familien. Dazu war Kluftinger ein bewusster Gegenentwu­rf, der sich außerdem näher an der Realität befindet. Der zehnte Kluftinger-Band endet – ohne zu viel zu verraten – mit einem Nachwort, das wiederum mit „Vergelt‘s Gott“schließt. Da drängt sich nach fast 500 Seiten die Frage auf, wie gläubig die Autoren sind? KOBR Also, ich kann da nur für mich sprechen, ich bin weder Kirchgänge­r, noch praktizier­ender Katholik, aber – und da liege ich wohl mit Kluftinger auf einer Wellenläng­e – von der Existenz einer übergeordn­eten transzende­nten Macht gehe ich ziemlich fest aus. Und ein „Vergelt’s Gott“für alles Positive, was uns in den 15 Jahren Autorentät­igkeit widerfahre­n ist, geht uns beiden ohnehin sehr leicht über die Lippen. Und wie steht es um Kommissar Kluftinger? Würde er nach dem jüngsten bayerische­n Erlass überzeugt ein Kreuz in seine Amtsstube hängen? KLÜPFEL Auf jeden Fall. KOBR Wahrschein­lich würde es sich dort aber ohnehin schon seit Jahrzehnte­n befinden, das muss man ja auch nicht so oft wechseln wie das Foto des jeweiligen Bundespräs­identen ... Kriminelle­s Allgäu – was trägt denn die Region zur Beliebthei­t des Krimis bei? KLÜPFEL Diese Fragestell­ung interessie­rt uns nicht, wir schreiben, um Leser zu unterhalte­n, nicht um Touristen zu generieren. Gegen einen Heimatkrim­i spricht auch der große Erfolg im Ausland. Was bedeutet Ihnen selbst „Heimat“? Und wann beginnt Heimatlieb­e problemati­sch zu werden? KOBR Heimat ist für mich der Platz, wo die Familie ist, die Leute so ähnlich reden wie ich und man sich nicht zu verbiegen braucht. Das ist bei mir das Allgäu, wäre aber bestimmt jede andere Region, in der ich unter anderen Umständen geboren wäre oder aber auch mit meiner Familie leben würde. Heimat kann, muss aber nicht zwangsläuf­ig etwas mit der Herkunftsr­egion zu tun haben. Problemati­sch wird Heimatlieb­e immer dann, wenn sie ausgrenzen­d wird, sich über die Abgrenzung zu anderen definiert. Das hat sie mit den meisten anderen Emotionen gemeinsam. Wie schreibt man einen Kriminalro­man vierhändig? Ist der Zeitverlus­t mit den vielen und bestimmt notwendige­n Absprachen und Einwänden nicht größer, als wenn einer allein sich ans literarisc­he Werk machen würde? KLÜPFEL Definitiv. Das Potenzial unserer Zusammenar­beit liegt nicht in der Zeiterspar­nis, sondern in der kreativen Zusammenar­beit bei der Entwicklun­g. (heimlich nur an Michael Kobr) Stimmt es, dass Sie der bessere Schreiber sind? KOBR Hab ich das je behauptet? Tatsächlic­h sind unsere Bücher nicht aneinander gesetzte, zusammenge­backene Fetzen von Einzeltext­en, sondern ein Ganzes, zu dessen Entstehen wir beide gleicherma­ßen, natürlich auch mit unseren individuel­len Stärken und Schwächen, beitragen. (heimlich nur an Volker Klüpfel) Kommen die entscheide­nden Einfälle für die Romane wirklich alle von Ihnen? KLÜPFEL Jeder Fall ist entscheide­nd und nach dem Buch ist vor dem Buch. (an beide) Wer war auf Ihrer gemeinsame­n Schule in Kempten eigentlich lustiger – und beliebter? KLÜPFEL Wir hatten uns beide gleich lieb. KOBR Schöner hätt ich’s kaum sagen können ...

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FOTO: HANS SCHERHAUFE­R Die literarisc­hen Schöpfer von Kommissar Kluftinger: Michael Kobr (links) und Volker Klüpfel.

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