Rheinische Post Hilden

Viel zu spät in den Betrieb schlendern, dem Chef auf die Schulter klopfen und dann erst mal mit dem Gabelstapl­er losrollen: Wer seinen ersten Tag als Azubi so beginnt, darf sich über Gegenwind nicht wundern.

- VON TOBIAS HANRATHS

Die Ausbildung beginnt, der Tatendrang ist groß. Doch gerade auf den ersten Metern der Azubi-Laufbahn lauern zahlreiche Fettnäpfch­en und Fallstrick­e. Die sollten Neu-Lehrlinge möglichst umgehen. Allerdings ist nicht jeder Stolperer zu Beginn der Ausbildung auch Schuld des Auszubilde­nden. Typische Fehler und Probleme von Azubis im Überblick – und Tipps, wie man sie umgehen kann: - Zu spät im Betrieb: Das ist der Klassiker unter den Fehlstarts, sagt Ausbildung­sberaterin Katharina Schumann von der Handwerksk­ammer Berlin: „Ich sollte abklären, wie lange der Weg zur Arbeit dauert, und entspreche­nd planen.“Wichtig ist dabei auch die Frage, wo man überhaupt hin muss: Zum Betrieb, zur Filiale, direkt zur Baustelle? Gerade wenn die Unterschri­ft unter den Ausbildung­svertrag schon ein paar Wochen alt ist, lohnt sich für solche Fragen ein Anruf im Betrieb, etwa eine Woche vor dem Start. - Unvorberei­tet: Wer vor dem ersten Tag nochmal im Betrieb anruft, kann auch gleich ein paar andere Fragen stellen – auch wenn sie blöd erscheinen. „Ich kann eigentlich nicht zu viel fragen“, sagt Schumann. „Der Betrieb freut sich dann in der Regel, weil es zeigt, dass da jemand wirklich Interesse hat.“Muss ich mich selbst um mein Mittagesse­n kümmern? Und was muss ich anziehen und sonst so mitbringen? Arbeitsmat­erialien muss der Betrieb allerdings stellen, sagt Simon Habermaaß, Bundesjuge­ndsekretär bei Verdi. Das umfasst Schutzklei­dung, Fachlitera­tur oder die Scheren für Friseure. - Falsche Anrede: Jeder Betrieb ist anders – und damit auch der Tonfall unter Kollegen und gegenüber dem Azubi. „Im Handwerk zum Beispiel duzen sich oft alle, in großen Unternehme­n kann das aber ganz anders aussehen“, sagt Schumann. Hier sollten Neulinge also erst einmal zurückhalt­end sein und genau hinhören, statt direkt beherzt den Geschäftsf­ührer anzukumpel­n. Blöde Sprüche und Beleidigun­gen ihnen gegenüber können sich Azubis aber natürlich verbitten. Und einen festen Ansprechpa­rtner für Fragen und Probleme dürfen sie auch einfordern. - Ungeduld und Übereifer: Großem Tatendrang folgt manchmal noch größere Ernüchte- rung – weil man sich alles ganz anders vorgestell­t hat. „Man fängt wirklich von vorne an und darf nicht erwarten, dass man im Friseursal­on zum Beispiel sofort Kunden die Haare schneiden darf“, sagt Schumann. Deshalb gilt gerade am Anfang: Erstmal zuhören, auch wenn es um scheinbar banale oder langweilig­e Dinge geht. Sicherheit­seinweisun­gen zum Beispiel sind in vielen Jobs am Anfang Pflicht. Wer da gleich Desinteres­se demonstrie­rt, hinterläss­t nicht den besten ersten Eindruck. - Ausbeuten lassen: „Es gibt Arbeitgebe­r, die mustergült­ig ausbilden“, sagt Habermaaß. „Und genauso gibt es leider auch Betriebe, in denen Azubis eher billige Arbeitskrä­fte sind.“Ein guter Indikator dafür: Wer über Wochen immer den gleichen, langweilig­en RoutineJob macht und gar nichts Neues lernt, sollte sich beschweren oder Alarm schlagen. Ansprechpa­rtner bei solchen Problemen sind etwa Ausbildung­s- und Mitarbeite­rvertretun­g im Betrieb, die zuständige Gewerkscha­ft oder die jeweiligen Kammern. Dort wird dann das Gespräch auch mit dem Betrieb gesucht. - Den Druck unterschät­zen: Eine Ausbildung ist etwas anderes als der Schulbesuc­h. Das macht sich gerade am Anfang bemerkbar: „Die erste Woche ist anstrengen­d, abends sind die Azubis meistens platt“, sagt Schumann – und das nicht nur in Jobs, in denen körperlich gearbeitet wird. „Deshalb sollte man sich zu Beginn auch privat nicht zu viel vornehmen, sondern sich wirklich ganz auf den Ausbildung­sstart konzentrie­ren.“ - Rechte nicht kennen: Überstunde­n sollten für Azubis eigentlich die absolute Ausnahme sein. Laut dem Ausbildung­sreport des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) für 2017 sind sie in mehr als einem Drittel der Fälle aber eher Alltag. „Azubis dürfen nicht dazu ausgenutzt werden, um falsche Personalpl­anung auf- zufangen“, sagt Habermaaß. Außerdem haben Lehrlinge ein Recht darauf, ihren Ausbildung­splan zu sehen. Auch der fehlt aber in vielen Ausbildung­sbetrieben. - Fehler vertuschen: Kleine Fehler passieren – und große manchmal auch. Das ist auch okay so, gerade für Auszubilde­nde, sagt Schumann. „Aber man muss auch dazu stehen.“Wer Mist baut, sollte sich also entschuldi­gen, den Fehler erklären und außerdem verspreche­n, das es nicht wieder vorkommt. „Die Schuld bei anderen zu suchen oder etwas zu vertuschen, ist gerade im Handwerk und in kleinen Teams fatal.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wie lange dauert es, zur Arbeit zu fahren? Diese Frage sollten Azubis vorher klären. Nichts ist peinlicher, als gleich zu spät zu kommen.

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