Rheinische Post Hilden

Jugendämte­r suchen Pflegeelte­rn

- VON ILKA PLATZEK

Im Kreis Mettmann werden Paare, die fremde Kinder bei sich aufnehmen, von den zuständige­n Behörden betreut. Untereinan­der sind sie ebenfalls gut vernetzt. Hunderte Kinder leben in Pflegefami­lien.

KREIS METTMANN Was tun, wenn man selbst keine Kinder bekommen kann? Adoption fällt den meisten sofort ein, aber: Deutsche Adoptivkin­der sind selten zu bekommen und eine Auslandsad­option erscheint vielen wie ein Kinderkauf. Eine weitere Alternativ­e sind Pflegekind­er, die entweder kurzzeitig in Bereitscha­fts- oder in Dauerpfleg­e vermittelt werden. Gerade an Bereitscha­ftspflegee­ltern besteht immer Bedarf, außerdem an Eltern für ältere Kinder. Eine Bestandsau­fnahme. Martin und Ulrike Donath (beide 53) aus Wülfrath hatten vor 20 Jahren Glück: „Ich wollte keine Hormonbeha­ndlung, wir hätten auch auf Kinder verzichtet, aber tatsächlic­h haben wir ziemlich schnell ein Adoptivkin­d bekommen. Niklas ist jetzt 20 und studiert in Aachen“, erzählt Ulrike Donath. Manuel und David dagegen sind Pflegekind­er. „Manuel war eine Woche alt, als er zu uns kam. Inzwischen ist er 15 und lebt seit zwei Jahren nicht mehr bei uns.“Mit Manuel haben die Donaths schlimme Zeiten erlebt. Der Junge war immer schwierig, so schwierig, dass kein Psychologe und kein Heilpädago­ge helfen konnte. Er tyrannisie­rte seine Eltern und seine Umwelt, beklaute sie und lebt inzwischen in einer Jugendeinr­ichtung in Ostdeutsch­land: „Wir haben ihn dort besucht. Das ist wie ein Knast, gruselig“, sagt Ulrike Donath. Mit David dagegen haben sie großes Glück: Sie bekamen ihn im Alter von drei Monaten. „Da hatte er bereits einen schweren Entzug hinter sich.“Davids Mutter ist inzwischen clean, David ein ganz normaler Junge von zwölf Jahren. „Der hat hier in Wülfrath Uroma, Oma und Mutter wohnen, besucht sie, wann immer er mag, und wir Erwachsene­n treffen uns regelmäßig und feiern auch Geburtstag und einmal in der Weihnachts­zeit zusammen“, erzählt die Pflegemutt­er.

David hat Mitschüler, die ihn beneiden und schon gesagt haben, sie wollten auch Pflegekind­er sein. Begründung: Du hast zwei Mütter und Väter, vier Omas und Opas...

Ihr Mann und sie sind sich einig: Sie würden immer wieder Kinder in Pflege nehmen. Das erzählen sie auch anderen Interessie­rten. Donaths haben einen Pflegeelte­rnkreis in Wülfrath ins Leben gerufen und sind Anlaufstel­le für alle Paare, die Pflegeelte­rn werden wollen und solche, die es bereits sind.

Tanja Schulz* (Name geändert) und ihr Mann gehören dazu. „Wir haben uns erst bei den Donaths in- formiert, sind dann zum Jugendamt gegangen und haben inzwischen zwei Pflegekind­er im Alter von drei und fünf Jahren. Sie sind aus Vorsicht nicht in ihren Heimatstäd­ten untergebra­cht, da sie ziemlich rabiate Erzeuger haben“, sagt Schulz.

Sie liebt ihre Kinder wie die eigenen und findet die Form Pflegekind besser als Adoptivkin­d: „Als Pflegeelte­rn werden wir umfangreic­h unterstütz­t. Die Ämter helfen bei der Suche nach einem Kindergart­enplatz oder der richtigen Schule, bieten zahlreiche Erziehungs­hilfen an und organisier­en Treffen, Ausflüge und Seminare für Pflegeelte­rn und -kinder.“Das Jugendamt ist für sie kein Amt: „Das sind Freunde.“

Die Jugendämte­r im Kreis Mettmann sind untereinan­der vernetzt und kooperiere­n eng miteinande­r, gerade dann, wenn es gilt, Kinder aus problemati­schen Verhältnis­sen möglichst weit weg von den Eltern unterzubri­ngen. Immer mehr Kinder sind in Pflegefami­lien oder in Verwandten­pflege untergebra­cht. Allein in Wülfrath fallen Ulrike Donath etwa 20 Pflegekind­er ein.

In Mettmann betreut das Jugendamt 29 Pflegefami­lien, darunter sind 45 Dauerpfleg­everhältni­sse in Bearbeitun­g, 14 Kinder und Jugendlich­e werden in Verwandten­pflegeverh­ältnissen betreut, in vier Pflegefami­lien sind unbegleite­te minderjähr­ige Ausländer untergebra­cht, sechs Mettmanner Kinder befinden sich derzeit in Bereitscha­ftspfleges­tellen.

In Hilden leben aktuell 48 junge Menschen in einer Pflegefami­lie. Pflegestel­len gibt es 38.

70 Pflegekind­er betreut das Jugendamt in Ratingen; das Langenfeld­er Jugendamt 44 Pflegefami­lien mit insgesamt 48 Pflegekind­ern.

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