Menschen in Seenot ertrinken lassen?
Der unsägliche Streit zwischen der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden und dem Innenminister und CSUVorsitzenden ist erst einmal bis auf weiteres beigelegt. Das Ansehen der Kanzlerin und unseres Landes in Europa ist dahin. Anlass des Streites ist der geplante Umgang mit Flüchtlingen, die in unser Land drängen. Die Antwort der „christlichen“Parteien in Deutschland und der EU: weitere und verstärkte Abschottung.
„Die vielen Wirtschaftsflüchtlinge und Asyltouristen hat niemand gerufen. Wir können die Mauern der Abschottung nicht hoch und dicht genug machen. Wenn die alle im Mittelmeer verrecken, dann werden diejenigen, die sich nach Europa auf den Weg machen wollen, abgeschreckt, dann erkennen sie, dass sich die Flucht nicht lohnt“, mögen immer mehr Menschen in unserem Land denken. Nach oft monatelanger Flucht durch den Nahen und Mittleren Ost oder durch den afrikanischen Kontinent geraten die Flüchtlinge im Mittelmeer in Seenot – und wir in Europa klagen den Kapitän an, der diese Menschen in sein Schiff aufgenommen und so vor dem sicheren Ertrinken gerettet hat.
Wie zynisch, menschenverachtend und unchristlich ist das denn? Sind unsere Politiker noch bei Trost? Nach internationalem Seerecht (Genfer Abkommen II vom 12. August 1949) sind alle Schiffe dazu verpflichtet, ihre Fahrt zu unterbrechen, um Schiffbrüchige aufzunehmen. Ob es rechtlich zulässig ist, dass private Organisationen eigens Schiffe einsetzen, die nach schiffbrüchigen Flüchtlingen suchen, ist dort nicht geregelt. Die Flüchtlinge aus Kriegs- und Unterdrückungssituationen, ohne Zukunftsperspektive in ihrem Heimatland, verlassen nicht aus purem Übermut ihre Heimat, sie kommen nicht zum Spaß nach Europa. Sie wollen nur leben, ein wenig mehr Freiheit und Gerechtigkeit, nicht mehr Angst um ihr Leben haben müssen.
Im Matthäusevangelium heißt es: Ich war hungrig, durstig, fremd und obdachlos, nackt, krank oder im Gefängnis – und ihr habt mir geholfen (vgl. Mt 25,35-40) oder eben nicht geholfen (vgl. Mt 25,41-45). Erlauben Sie mir, einen Gedanken zu ergänzen: Ich war schiffbrüchig, den sicheren Tod durch Ertrinken vor Augen, und ihr … Ich habe keine Patentlösung, wie wir Europäer mit den vielen Migranten und Flüchtlingen umgehen sollen, aber eines sagt mir mein christliches Gewissen eindeutig: Menschen auf See verrecken lassen geht gar nicht.