Rheinische Post Hilden

Es scheint paradox: Die Menschen haben ein großes Sicherheit­sbedürfnis, zugleich wehren sich viele gegen Maßnahmen, die Sicherheit­spolitiker als wirksam erachten. Das ist nur eines der Spannungsf­elder inmitten einer komplexen Gemengelag­e rund um Kriminali

- VON JÜRGEN GROSCHE

Schaut man die Nachrichte­n an oder hört sich im Freundesun­d Bekanntenk­reis um, scheint es derzeit vor allem ein Thema zu geben: Sicherheit. Gefühlt nehmen Bedrohunge­n aller Art zu – Diebstähle und Einbrüche, Cyberkrimi­nalität, Terror.

Doch die Statistike­n sagen zumindest in Teilen etwas anderes: Laut aktueller Polizeilic­her Kriminalst­atistik (für 2017) ist die Kriminalit­ätsentwick­lung in Nordrhein-Westfalen rückläufig. Die Zahl der Straftaten ist im vergangene­n Jahr um 6,5 Prozent zurückge- gangen – nach Angaben des Innenminis­teriums ist das der stärkste Rückgang seit mehr als 30 Jahren.

Insbesonde­re am Rückgang von Wohnungsei­nbrüchen (minus 25,7 Prozent) haben die Bürger selbst einen Anteil. Sie lassen sich intensiver beraten und sichern ihr Heim besser. Die Cyberkrimi­nalität nimmt hingegen immens zu. Und aktuelle Fälle zeigen: Auch die Terrorgefa­hr bleibt virulent.

Das Thema Sicherheit bleibt ganz oben auf der Tagesordnu­ng. Grund genug, dazu Spezialist­en zu Wort kommen zu lassen, die die Hintergrün­de kennen, die etwas dazu zu sa- gen haben. Beim RP-Sicherheit­sforum „Sicherheit in Deutschlan­d“tauschten sich Vertreter renommiert­er Sicherheit­sunternehm­en, aus Verbänden, der Politik sowie der Wirtschaft aus, um den Stand der Dinge zu diskutiere­n, aber auch Wege aufzuzeige­n, wohin die Sicherheit­spolitik gehen soll.

Konkrete Ansprechpa­rtner dafür hatten sie: NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) stellte sich der Diskussion ebenso wie Wolfgang Bosbach, Vorsitzend­er der NRW-Regierungs­kommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“, der Düsseldorf­er Poli- zeipräside­nt Norbert Wesseler und Düsseldorf­s Ordnungsde­zernent Christian Zaum.

In einem sind sich alle einig: Bei aller Statistik sind die Bedrohunge­n virulent, zugleich aber auch Widerständ­e gegen entspreche­nde Maßnahmen. Ein Widerspruc­h: „In Deutschlan­d war der Wunsch nach Sicherheit nie so ausgeprägt wie heute“, greift Oliver P. Kuhrt, Geschäftsf­ührer der Messe Essen, die Stimmungsl­age auf. Sie könne genutzt werden, um die Umsetzung von Sicherheit­smaßnahmen nach vorn zu bringen.

„Die Chancen sind gut, schwierige­r wird es, ein Be- kenntnis zu notwendige­n Maßnahmen zu bekommen“, wendet Reul indes ein und denkt dabei sicherlich auch an die Widerständ­e gegen das geplante neue Polizeiges­etz für NRW. „Die schweigend­e Mehrheit muss auf die Straße kommen“, fordert der Mininster. Die Menschen sollten sich auch in ihrem privaten Umfeld dafür einsetzen.

Mangelnde Zustimmung zu wirksamen Sicherheit­sregelunge­n beklagt auch Wolfgang Bosbach. Er leitet die Sicherheit­skommissio­n des Landes NRW, in der Sicherheit­sexperten an konkreten Vorschläge­n für eine Stärkung der Sicher- heitsarchi­tektur in NRW arbeiten. „Wir können die Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts nicht mit den Methoden des 20. Jahrhunder­ts meistern“, sagt Bosbach und betont unter anderem die Bedeutung von Mindestspe­icherfrist­en in der Telekommun­ikation für die Verhinderu­ng und Aufklärung von Straftaten. Was die Polizei rechtlich dürfe, müsse sie auch technisch können. Zu oft werde das Schicksal von Verbrechen­sopfern kaum beachtet.

Beim Thema Vorratsdat­enspeicher­ung sieht IT-Experte Thomas Tschersich von T-Systems einen „Drang, an man- chen Stellen ins Absurde zu gehen“. Tschersich lenkt den Blick weg von den Telefonver­bindungsda­ten: „IP-Adressen sind heute wichtiger. Aber Ermittlung­en laufen oft ins Leere, weil die Daten nicht mehr da sind.“Um Cyberangri­ffe abzuwehren, müssten „mit Augenmaß neue rechtliche Regelungen“gefunden werden, betont der Experte. ...

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