Rheinische Post Hilden

Während die Europäisch­e Zentralban­k das Geschehen an den hiesigen Finanzmärk­ten schon seit Jahren maßgeblich mitbestimm­t, ist der Handelskon­flikt mit den USA als weitere bedeutende Komponente hinzugekom­men. Darauf gilt es angemessen zu reagieren.

- VON MARTIN AHLERS

Politisch ist es um Europa derzeit nicht gut bestellt. Das dürfte für jeden auch nur einigermaß­en interessie­rten Zeitungsle­ser offensicht­lich sein. Wer allerdings geglaubt hatte, dass zumindest die europäisch­e Finanzkris­e überwunden wäre, weil von Griechenla­nd diesbezügl­ich kaum noch etwas in den Medien zu hören ist, musste sich zuletzt eines Besseren belehren lassen.

So ist die finanziell­e Fragilität der Eurozone mit der Regierungs­koalition aus Links- und Rechtspopu­listen in Italien in das Bewusstsei­n der Anleger zurückgeke­hrt. Statt wichtiger Reformen stehen nun drastische Steuersenk­ungen, die Herabsetzu­ng des Rentenalte­rs und ein Grundeinko­mmen für alle bedürftige­n Haushalte auf der Agenda. Dabei macht die italienisc­he Staatsvers­chuldung bereits 132 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es aus, und sie dürfte sich weiter erhöhen.

Eine „Mitschuld“für diese Entwicklun­g sieht Sebastian Gebhardt, Vermögensv­erwalter bei der I.C.M. Independen­t Capital Management in Neuss, auch bei der Europäisch­en Zentralban­k. So sei das Anleiheank­aufprogram­m der Notenbanke­r unter anderem darauf ausgericht­et, den Staats- haushalten Zeit für Restruktur­ierungen und Reformen zu verschaffe­n. „Das hat in einigen Ländern – allen voran Irland und ein Stück weit auch Spanien – geklappt. In anderen Staaten haben die niedrigen Zinsen und der fehlende Druck des Kapitalmar­ktes jedoch dazu geführt, dass wichtige Reformen ausgeblieb­en sind“, sagt Gebhardt. „So steht etwa Italien als drittgrößt­e Volks- wirtschaft der Eurozone heute schlechter da als je zuvor.“

Noch stärker belastet werden die europäisch­en Börsen derzeit allerdings von dem sich ausweitend­en Handelskon­flikt mit den USA. Nach Abgaben auf Aluminium- und Stahlimpor­te und ersten Gegenmaßna­hmen durch die Europäisch­e Union (zum Beispiel Zölle auf Harley Davidson, Erdnussbut­ter, Jeans und Whisky) droht Trump nun mit Zöllen auf Autoimport­e in Höhe von 20 Prozent. Hiervon wären die deutschen Hersteller besonders stark betroffen. „Sie sind zwar schon mit einer ganzen Reihe von Werken und Zehntausen­den Beschäftig­ten in den USA vertreten, dennoch macht ihr Anteil mehr als die Hälfte aller Autoexport­e der EU in die Vereinigte­n Staaten aus“, wie Ottmar Wolf, Vorstand der Frankfurte­r Wallrich Wolf Asset Management AG erläutert. „Ein weiteres Drehen der Eskalation­sspirale dürfe sich damit auch auf die hiesigen Aktienmärk­te negativ aus- wirken.“Gerade für Anleger mit einer hohen Aktienquot­e kann es deshalb sicherlich nicht schaden, sich einmal etwas intensiver mit Möglichkei­ten auseinande­rzusetzen, das Aktiendepo­t zumindest teilweise gegen Kursverlus­te ab- zusichern (siehe hierzu auch Seite 5).

Von Aktien allerdings grundsätzl­ich die Finger zu lassen, scheint dem Frankfurte­r Vermögensv­erwalter und Fondsmanag­er dennoch verfehlt. „So wurden die deutschen wie auch die weltweiten Wachstumse­rwartungen zuletzt zwar von verschiede­nen Institutio­nen nach unten korrigiert, und die aktuellen Risiken sind in der Tat nicht zu unterschät­zen, von einem Abschwung kann aktuell aber noch keine Rede sein.“Dabei habe die Börse die leicht gestiegene Rezessions­wahrschein­lichkeit mit den jüngsten Abschlägen bereits eingepreis­t.

Auf der anderen Seite wird die EZB ihre Niedrigzin­spolitik – auch zum Stützen Italiens – noch lange beibehalte­n. Zwar werden die Notenbanke­r ab Januar 2019 keine zusätzlich­en Staatsund Unternehme­nsanleihen mehr ankaufen, zufließend­e Mittel aus Zinsen und Fälligkeit­en werden aber für einen „ausgedehnt­en Zeitraum“auch darüber hinaus reinvestie­rt. Nach Berechnung­en Gebhardts beträgt das entspre- chende Volumen jährlich rund 50 Milliarden Euro. Ein großer Teil dieses Betrags wird auf italienisc­he Papiere entfallen. Zu tatsächlic­hen Zinserhöhu­ngen sollte es nach Ansicht der meisten Experten nicht vor Ende 2019 kommen. Ähnlich wie in den vergangene­n Jahren lässt sich mit quasi risikofrei­en Rententite­ln also auch zukünftig nicht einmal die Inf lation ausgleiche­n, von Realerträg­en ganz zu schweigen.

Hinzukommt, dass sich die Aktienmärk­te in der Vergangenh­eit von Rückschläg­en immer wieder in überschaub­arer Zeit erholt haben. Dies zeigt sich auch an der Entwicklun­g des Dax, der in diesem Sommer seinen 30. Geburtstag feiert und für die vergangene­n drei Dekaden eine jährliche Performanc­e von durchschni­ttlich 8,2 Prozent aufweist (siehe hierzu auch Seite 6).

Die Börsen werden von dem sich ausweitend­en Handelskon­flikt mit

den USA belastet Die EZB wird ihre Niedrigzin­spolitik – auch zum Stützen Italiens – noch lange

beibehalte­n

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FOTOS: DPA/REUTERS Diese beiden Herren bestimmen derzeit mit, wie die Wirtschaft in Europa läuft: der US-Präsident Donald Trump (links) und Mario Draghi, Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB).
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