Rheinische Post Hilden

Nachfolge braucht Zeit

- VON INGO KIESEL

Ob familienin­terne Nachfolge, eine Übernahme durch das Management oder durch Externe – jede Unternehme­nsnachfolg­e ist individuel­l und will genau geplant sein. Bei der Finanzieru­ng hilft die NRW.Bank mit Krediten ebenso wie mit Beteiligun­gskapital.

Bei rund 150.000 deutschen Familienun­ternehmen steht zwischen 2018 und 2022 die Regelung der Nachfolge an, schätzt das Institut für Mittelstan­dsforschun­g Bonn. Dies entspricht 30.000 Übergaben pro Jahr. In den fünf Jahren werden insgesamt rund 2,4 Millionen Beschäftig­te von einer Übertragun­g berührt, jedes Jahr fast 490.000. Die meisten Übernahmen stehen im Dienstleis­tungssekto­r an, gefolgt vom produziere­nden Gewerbe und dem Handel.

Immerhin 44 Prozent der Senior-Unternehme­r finden keinen passenden Nachfolger, wie der Ende vergangene­n Jahres veröffentl­ichte Nachfolger­eport des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertages (DIHK) bestätigt. Das Handwerk warnt vor Versorgung­sengpässen vor allem auf dem Land, wenn auch nur 50.000 der in den kommenden fünf Jahren zur Übergabe anstehende­n Handwerksb­etriebe keinen Nachfolger finden. Schließt ein einzelner Handwerksb­etrieb seine Tür, dann fallen im Schnitt vier bis sechs Arbeitsplä­tze weg – insgesamt sind durch gescheiter­te Nachfolgen demnächst rund 250.000 bis 300.000 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d gefährdet.

Solche Statistike­n machen mehr als nur nachdenkli­ch. Denn es gibt viele Gründe, weshalb eine Nachfolge aus dem Familienkr­eis scheitert. Nicht jeder Unternehme­r hat Kinder, und auch wenn diese vorhanden sind, haben sie nicht immer für eine Fortführun­g prädestini­erende Berufe erlernt oder entscheide­n sich für berufliche Alternativ­en.

Häufig wird das Thema Nachfolger­suche auch zu spät angegangen. „Im optimalen Fall dauert ein Übergabepr­ozess drei bis fünf Jahre“, weiß Ingrid Hentzschel, Leiterin der Abteilung Hausbanken- und Fördernehm­erberatung bei der NRW.Bank. Der schlimmste Fehler sei, das Thema auf die lange Bank zu schieben und sich nicht zu kümmern. „Jedes Unternehme­n – egal wie groß oder klein – sollte einen Nachfolge- und einen Notfallpla­n erarbeitet haben“, so Hentzschel.

Frühzeitig hatte sich auch Melanie Baum auf die Nachfolge ihres Vaters vorbereite­t. Im Familienun­ternehmen Baum Zerspannun­gstechnik in Marl werden teils metergroße Bauteile auf den Zehntelmil­limeter genau gefräst, gedreht und gebohrt. Schon vor Jahren beschloss die studierte Betriebsun­d Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n, ins Familienun­ternehmen einzusteig­en. Sie wurde Geschäftsf­ührerin, ihr Vater assistiert­e ihr. Dafür gründete sie ein neues Unternehme­n und kaufte ihm den Betrieb ab. Dabei setzte sie auf Förderprog­ramme der NRW.Bank, der KfW und der Bürgschaft­sbank NRW. Als dann ihr Vater überrasche­nd starb, litt zumindest das Unternehme­n nicht.

„Bei einer Übernahme sollte keinesfall­s auf externe Expertise verzichtet werden“, rät Hentzschel. Diese gibt es bei Unternehme­ns- und Steuerbera­tern ebenso wie bei Kammern, Hausbanken und der NRW.Bank. „Es allein auszuprobi­eren kann am Ende teuer werden.“

Wird ein gut gehendes Unternehme­n übernommen, kann der Kaufpreis häufig aus den Umsatzerlö­sen finanziert werden. Der Käufer kann in diesem Fall auf den Einsatz von Sach- und Finanzmitt­eln verzichten. Immerhin bei jeder zehnten externen Übernahme ist dies der Fall, wie aus den Er- hebungen des KfW-Gründungsm­onitors hervorgeht. Brauchen Übernehmer jedoch eine Finanzieru­ng, dann haben sie einen höheren Finanzieru­ngsbedarf und greifen meist auf externe Finanzieru­ng zurück. Bankkredit­e sind dabei die am häufigsten genutzte externe Finanzieru­ngsquelle. Rund 54 Prozent der familienex­ternen Nachfolger nutzen Darlehen zur Kaufpreisf­inanzierun­g. „Allein zur Klärung aller Finanzieru­ngsfragen sollte der Übernehmer etwa ein Jahr einkalkuli­eren“, weiß NRW.Bank-Expertin Hentzschel. Trotz der derzeit guten gesamtwirt­schaftlich­en Situation berichten allerdings rund 40 Prozent der potenziell­en Übernehmer laut dem aktuellen DIHK-Nachfolger­eport von Schwierigk­eiten bei der Finanzieru­ng.

Familienex­terne Nachfolger gelten als Existenzgr­ünder. Und so kommt es, dass eine klassische Unternehme­nsnachfolg­e den dritten Platz beim Gründerpre­is NRW 2017 erreichte: Manuela Baier übernahm 2015 das Landhotel Kallbach in der Eifel. Vorher hatte sie in ganz Deutschlan­d 136 Exposés unter die Lupe genommen und sich 37 zur Nachfolge anstehende Unternehme­n angeschaut. Ein dreimonati­ges Praktikum in Hürtgenwal­d-Simonskall überzeugte die heutige Chefin von rund 30 Mitarbeite­rn. Mit ihrer Sparkasse hatte sie einen kompetente­n Partner während der Gründungsp­hase, der auch über Fördermitt­el, KfW, ERP und Angebote der NRW.Bank aufklärte.

44 Prozent der Senior-Unterneh

mer finden keinen passenden

Nachfolger

„Bei einer Übernahme sollte

keinesfall­s auf externe Expertise verzichtet werden“

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