Rheinische Post Hilden

Valsartan: Ärzte erleben Ansturm

Nach dem Rückruf des Medikament­s sind Patienten noch immer verunsiche­rt, Ärzte genervt, Apotheker müssen Fragen beantworte­n - und bei den Ersatzstof­fen gibt es Lieferengp­ässe.

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN UND CHRISTOPH ZACHARIAS

Nach dem Rückruf des Medikament­s sind Patientenv­erunsicher­t, Ärzte genervt und bei den Ersatzstof­fen gibt es Lieferengp­ässe.

KREIS METTMANN Martin Wildner traute seinen Augen kaum. „Da sitzt man im Urlaub bei einer leichten Brise auf dem Balkon und surft bei RP-Online, und dann liest man diese Nachricht.“Der Rückruf des Blutdrucks­enkers Valsartan betraf auch den 48-Jährigen. Anderthalb Jahre nahm er das Medikament bereits. Und dann die schockiere­nde Nachricht in den Ferien: In Valsartan sollen krebsauslö­sende Stoffe nachgewies­en worden sein. Nach Ende seines Urlaubs wandte sich Wildner sofort an seinen Arzt. Der nahm sich viel Zeit und verschrieb einen Ersatz. Doch ein mulmiges Gefühl bleibt: „Ich bin sehr verärgert, dass so etwas passieren kann“, sagt Wildner.

Damit ist er nicht alleine. In den Apotheken, so berichtet Paula Nowodworsk­i, Inhaberin der Biber-Apotheke in Mettmann, werden seit dem 5. Juli reihenweis­e Medikament­e zurückgeru­fen, die den blutdrucks­enkenden Wirkstoff Valsartan enthalten. Grund sei eine Verunreini­gungen mit dem potenziell krebserreg­enden Stoff N-Nitrosodim­ethylamin (NDMA). Und die Patienten geben sich immer noch die Klinke in die Hand - nicht nur in den Apotheken, sondern auch in den Arztpraxen.

„Ärgerliche­rweise bekommen wir Ärzte ständig Anrufe und Nachfragen, ob das Blutdruckp­räparat, welches übrigens manchmal von zehn verschiede­nen Firmen produziert wird, verunreini­gt ist“, sagt DRK-Kreisverba­ndsarzt Dr. Thomas Nasse. Auskünfte zu erteilen, das sei jedoch ganz eindeutig die Aufgabe der Apotheker, sagt Nasse. Und so lautet der Appell des Kreisverba­ndsarztes an Betroffene und Patienten: „Fragen sie nicht ihren Arzt, sondern den Apotheker”.

Paula Nowodworsk­i gibt Nasse recht. Es sei primär die Aufgabe der Apotheker, die Kunden aufzukläre­n. Ob der Wirkstoff Valsartan in einem Medikament enthalten sei, stehe auf jeder Packung beziehungs­weise sei Bestandtei­l des Arzneimitt­elnamens. In den Fällen, in denen Patienten wegen eines Rückrufs auf ein anderes Präparat wechseln müssen, kommt allerdings doch wieder der Arzt zum Einsatz, denn er müsse ein neues Rezept ausstellen. Dazu Prof. Dr. Martin Schulz von der Arzneimitt­elkommissi­on: „Apotheker dürfen eine angebroche­ne Packung nicht einfach gegen eine neue austausche­n – alle valsartan-haltigen Arzneimitt­el unterliege­n der Rezeptpfli­cht.“Doch es gibt noch ein weiteres Problem: Dr. Karl-Jürgen Wunderlich, Sprecher des regionalen Apothekerv­erbandes und der Kammer aus Hilden, berichtet, dass es zurzeit drei Hersteller gebe, die „saubere“Medikament­e produziere­n. Allerdings gebe es immer noch Lieferengp­ässe.

Und auch Paula Nowodworsk­i bestätigt: Durch die Vielzahl an betroffene­n Patienten könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass Ersatzpräp­arate nicht mehr in ausreichen­der Menge auf dem Markt verfügbar sind: „In diesem Fall empfiehlt sich die Umstellung auf einen vergleichb­aren Wirkstoff, je nach Entscheidu­ng durch den behandelnd­en Arzt.“

Martin Wildner nimmt bereits ein Ersatz-Präparat, das er gut verträgt. Doch er fordert: „Da muss mehr Kontrolle her. Man muss als Patient auf das Medikament vertrauen können.“Er hat sich intensiv über den Fall informiert: „Es ist bedenklich, dass Pharma-Unternehme­n kostengüns­tig in anderen Ländern herstellen lassen, wo ein Zugriff schlecht möglich und eine Kontrolle schwierig ist.“

 ?? FOTO: DPA ?? Eine Tablettenv­erpackung eines Blutdrucks­enkers mit dem Wirkstoff Valsartan, der derzeit viele Patienten verunsiche­rt.
FOTO: DPA Eine Tablettenv­erpackung eines Blutdrucks­enkers mit dem Wirkstoff Valsartan, der derzeit viele Patienten verunsiche­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany