Rheinische Post Hilden

Löw lenkt ab

Der Bundestrai­ner hat seine WM-Analyse dem Präsidium des DFB vorgestell­t. Nächste Woche erfährt die Öffentlich­keit die Inhalte. Durch Aussitzen hat Löw den größten Krach schon mal vermieden.

- ROBERT PETERS Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Der Bundestrai­ner musste mal wieder vorstellig werden. Joachim Löw unterbreit­ete noch vor dem Bundesliga-Auftakt dem DFB-Präsidium seine WM-Analyse. Überrascht­e Gesichter wird er nicht gesehen haben. Und sein Blutdruck wird sich auch in sehr gesunden Bahnen bewegt haben. Denn er legte bereits zum dritten Mal Zeugnis vor Funktionär­en ab, zum ersten Mal tat er es Ende Juli in Frankfurt vor dem DFB-Präsidium, zum zweiten Mal in dieser Woche vor den Vertretern der Bundesliga.

Und die Erkenntnis­se aus den wochenlang­en Beratungen seit dem Ausscheide­n der DFB-Auswahl haben sich auch schon herumgespr­ochen. Es müsse wieder gezielt auf die Entwicklun­g von Spielern für die Mangelposi­tionen hingearbei­tet werden, und jeder solle künftig stolz sein, das Nationaltr­ikot zu tragen, hieß es. Dafür war es sicher dringend notwendig, acht Wochen auf Tauchstati­on zu gehen.

Tatsächlic­h folgte Löws hurtiges Verschwind­en aus der Öffentlich­keit unmittelba­r nach der harten Landung in Russland nur einem Zweck: Zeit zu gewinnen und die Empörung über die Vorstellun­g bei der WM abkühlen zu lassen. Der zügige Vertrauens­beweis des DFB-Präsidiums ließ Löw zusätzlich in den Entspannun­gsmodus fallen. Inzwischen weiß er Verband und Liga hinter sich, und den wenigen Bauernopfe­rn (sein Assistent Thomas Schneider und Chefscout Urs Siegenthal­er) wird er erleichter­t zustimmen.

Zugleich hat es ihn sicher glücklich gemacht, dass über das blamable Ausscheide­n der DFB-Auswahl nach der WM-Vorrunde eine Diskussion über mangelhaft­e Strukturen im Verband entbrannt ist. Das muss Löw gefallen, denn es lenkt schon wieder vom Sportliche­n ab.

Natürlich braucht der DFB, dieses Monstrum mit seinen sieben Millionen Mitglieder­n, eine profession­ellere Führung. Aber der Vorwurf, hier seien zu viele Amateure am Werk, den namentlich die Chefs von Bayern München erheben, geht im Zusammenha­ng mit der WM am Kern der Dinge vorbei. Die Fehler beim Turnier, in der Vorbereitu­ng und vielleicht auch schon nach dem Gewinn der Weltmeiste­rschaft 2014 haben ja nicht die Amateure gemacht, so selbstgefä­llig sie daherkomme­n mögen. Die Fehler beging eine Abteilung von Profis rund um Löw. Der Bundestrai­ner und sein Team aus Assistente­n, Scouts, Medizinern und Analysten, für dessen Transport längst ein eigener Bus gerade groß genug ist, hat rund um das Turnier in Russland ebenso versagt wie die Mannschaft, die nach den Erkenntnis­sen der Mannschaft hinter der Mannschaft auf ihre Aufgaben vorbereite­t worden ist.

Die Strukturen dieses Leitungs-Teams können profession­eller gar nicht sein. Das Problem, das zum Absturz in Russland führte, ist: Die Abteilung Löw und die Abteilung Marketing rund um DFB-Direktor Oliver Bierhoff führen ein Eigenleben ohne sachkundig­e Kontrolle. Und allein da muss der DFB profession­eller werden und wie ein Wirtschaft­sunternehm­en agieren. Mit ein paar lahmen Zugeständn­issen der Art „Wir brauchen wieder Außenverte­idiger“, „Wir brauchen Mittelstür­mer“, „Wir brauchen Spieler, die das Dribbling suchen“, „Wir brauchen Spieler mit Eigenveran­twortung“ist es nicht getan. Dafür ist weder außerorden­tlicher Sachversta­nd noch Profession­alität nötig. Das sieht jeder Amateur.

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