Rheinische Post Hilden

Pfaffs Hof

- von Hiltrud Leenders © 2018 ROWOHLT VERLAG GMBH, REINBECK

Geh spielen“, sagte Mutter, die mit Guste Geschirr und Besteck aus Zeitungspa­pier auswickelt­e. Spielen, dachte ich. Was denn? Und mit wem?

Aber diesmal traute ich mich, mir draußen alles genauer anzusehen.

Hinter der Spülküche war der Schweinest­all, aber den wollte ich mir nicht anschauen. Obwohl sicher schon lange keine Schweine mehr darin gestanden hatten, stank es aus den offenen Fenstern so eklig, dass mir ein bisschen schlecht wurde.

Am Rand der Weide, die bis zur Eisenbahnl­inie ging, standen krumme Pfähle, hell wie Knochen.

Als ich näher kam, sah ich, dass es ein alter Zaun war, an einigen Pfosten kringelte sich noch rostiger Stacheldra­ht, und manche hatten kleine, tiefe Löcher.

Im Gras blinkte etwas. Ich bückte mich. Zwei Hülsen aus Metall, ganz glänzend. Ich steckte sie in meine Schürzenta­sche.

Auf der Wiese hinterm Schweinest­all standen Lehmkuhls Kühe. Als sie mich am Zaun entdeckten, kamen sie langsam angetrotte­t und schnaubten mich an. Sie dufteten warm und süßlich nach Milch, und auch die Kuhfladen, die dort überall verteilt waren, rochen nicht schlimm.

Nette Tiere, dachte ich, ziemlich groß wohl, aber sie hatten ganz liebe Augen mit langen Wimpern.

Dann wanderte ich an einem verfallene­n Schuppen mit verrostete­m Werkzeug, Pflügen und Eggen vorbei über die Obstwiese bis zur Straße.

„Das ist ein Apfelbonge­rt“, hatte mir Vater erklärt, aber es standen auch ein paar Kirschbäum­e darin. Ich versuchte, die Bäume zu zählen, es waren über vierzig, und viele sahen sehr alt aus. Die Kirschen trugen schon kleine grüne Früchte. Ich mochte süße Kirschen sehr gern und freute mich auf einmal.

Lehmkuhls grauer Mercedes kam den Feldweg hochgetuck­ert, Vater hatte eine Hand am offenen Seitenfens­ter und ließ sich auf seinem Fahrrad ziehen.

Ich stahl mich näher heran und sah, wie Onkel Lehmkuhl in seinem schmutzige­n Arbeitszeu­g ausstieg. Er war hässlich mit seinem schiefen Gesicht, den triefenden Augen und den roten abstehende­n Ohren.

Ich grüßte leise, aber er beachtete mich nicht, sondern redete mit Vater.

Sie sprachen Platt miteinande­r. Die Leute in unserem Dorf hatten alle so etwas Ähnliches wie Hochdeutsc­h gesprochen, deshalb hatte ich Vater bis dahin nur Platt reden hören, wenn einer von seinen Freunden oder Onkel Maaßen zu Besuch gekommen waren.

„Gut, dass Mutti jetzt nicht hier ist“, dachte ich, „sie würde sich wieder aufregen.“ „Sprich anständig vor dem Kind!“Onkel Lehmkuhl sagte „Jupp“zu Vater, und ich wurde ein bisschen wütend.

„Warum nennst du ihn Jupp?“Onkel Lehmkuhl schaute mich an, als wäre ich nicht ganz gescheit. „Na, so heißt er doch!“

„Nein!“Am liebsten hätte ich mit dem Fuß aufgestamp­ft. „Er heißt Stefan.“

Vater drückte meine Schulter so fest, dass es ein bisschen weh tat. „Du weißt doch, dass ich Josef Stefan heiße. Und Mutti findet Stefan eben schöner als Josef.“

Sicher wusste ich das, und deshalb durfte Onkel Lehmkuhl auch nicht einfach „Jupp“sagen, „Jupp“war ja noch blöder als „Josef“.

Pit Lehmkuhl zeigte mir den Vogel und sagte etwas auf Platt, das sich nicht nett anhörte. Ich verstand nur die Wörter „Frau“und „apart“.

(Fortsetzun­g folgt)

Newspapers in German

Newspapers from Germany