Rheinische Post Hilden

Kinderpara­dies in Kernzone 1

Mitten im Müritz-Nationalpa­rk liegt das Rookhus. Es ist zu 100 Prozent ein Familienho­tel. Soll heißen: Wer keine Kinder hat, bekommt kein Zimmer.

- VON DIRK WEBER

Einmal gab’s richtig Ärger. Ein Paar, Anfang 30, hatte sich zum Romantik-Wochenende ins Rookhus einquartie­rt. Die Kinder hatten sie bei den Großeltern untergebra­cht. Geplant war ein Wochenende voll Zweisamkei­t. Schon beim Eintreffen wurden sie böse überrascht: Ein Rudel junger Bobby-Fahrer kreiste um ihre Beine. Es war das Gegenteil von Romantik. Die Frau, die eh schon ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihre Kinder nicht mitnehmen konnte, wurde sauer. Woraufhin ihr Mann sauer wurde. Schließlic­h blieb das Paar nur eine Nacht und reiste wutentbran­nt wieder ab. „Das war der Übergang“, erinnert sich Alexander Borchard. „Da waren wir noch halb Romantik-, halb Familienho­tel.“

Rookhus – das ist Mecklenbur­ger Platt und heißt so viel wie Räucherhau­s. Früher haben Fischer gleich vor der Tür ihre Reusen geleert und die Beute in die Räucherkam­mer gehängt. 1933 errichtete der Reichsspor­tbund am Großen Labussee ein Trainingsl­ager für seine Olympionik­en. Nach dem Krieg wurden die Gebäude als Jugendherb­erge, später als Kinderferi­enlager genutzt. Kurz vor dem Verfall kauften Alexander Borchard und seine Frau Andrea das Anwesen.

1995 eröffneten sie das Romantik-Hotel Rookhus samt Gourmetküc­he im englischen Landhausst­il, nach dem Vorbild Laura Ashleys. „2000 und 2003 wurden unsere Kinder geboren“, erzählt Borchard, „danach sind wir umgeschwen­kt.“

Eigentlich wollten sie ja nur verreisen. Mit Kindern. Aber es war schwer, eine geeignete Unterkunft zu finden. Schließlic­h landete man durch Zufall bei den Familotels. Dahinter verbirgt sich ein Zusammensc­hluss verschiede­ner Unter- künfte, die eines gemeinsam haben: Sie stehen Familien offen. Heute gehören rund 70 Häuser in fünf Ländern dazu. „Wir hatten uns für das Landgut Furtherwir­t in Tirol entschiede­n“, erzählt Borchard. „So haben wir das Konzept kennengele­rnt. Das wollten wir auch.“Zuerst habe man versucht, Romantik und Familie unter einen Hut zu bekommen. Mit mäßigem Erfolg. Gestört fühlten sich in erster Linie die Familien: Sie konnten nicht abschalten, weil die Eltern dachten, sie würden die anderen Gäste stören. „Familien können sich nur entspannen, wenn sie unter sich sind“, meint Borchard. „Also haben wir der Romantik den Rücken gekehrt und sind zu 100 Prozent auf Familien umgestiege­n. Wer kein Kind hat, bekommt bei uns kein Zimmer.“

Seit mehr als zehn Jahren gehört „Borchard’s Rookhus“nun zu den Familotels. Nördlicher liegt in Deutschlan­d kein anderes Mitgliedsh­aus. Und, wenn man ehrlich ist, schöner auch nicht. 20 Meter sind es bis zum Ufer. Jeder Baum in der Nachbarsch­aft gehört zum Müritz-Nationalpa­rk, dem größten Waldnation­alpark Deutschlan­ds. Das Rookhus liegt wie eine Insel mittendrin. Kernzone 1. Das ist die Zone mit dem höchsten Schutzgrad. Mit etwas Glück kann man Seeadler beobachten. Oder wie wilde Rehe den Borchards die Blumen aus dem Garten fressen. Im Umkreis von 150 Kilometern gibt es nur Natur und sonst – nicht viel. Wer das Hotel verlässt, betritt Nationalpa­rk. Wer die Wege verlässt, bekommt Ärger mit den Rangern. Zwei Kinderbetr­euer im Rookhus sind ebenfalls ausgebilde­te Ranger und unternehme­n regelmäßig Exkursione­n, lesen Fährten, erzählen Geschichte­n.

Platz ist im Hotel für etwa 70 Erwachsene und 60 Kinder. Das Grundstück wurde abparzelli­ert. Mit anderen Worten: Es gehört nicht mehr zum Nationalpa­rk. Das bedeutet auch, dass das Hotel nicht weiter wachsen darf. „Wollen wir nicht“, sagt Borchard. „Das Hotel hat genau die richtige Größe, damit wir uns persön- lich um unsere Gäste kümmern können.“Er selbst veranstalt­et zum Beispiel Zaubershow­s und steht am Grill.

Bloß kein Stress. Die Eltern können sich von Masseurin Iwona durchknete­n lassen, während ihre Kinder ab 0 Jahre an sechs Tagen in der Woche den Happy Club aufmischen. Es gibt auch eine Wii und eine Playstatio­n. Aber die sollen die Kinder gar nicht erst benutzen. Stattdesse­n sollen sie die Gegend erkunden. So wie in Bullerbü: Es gibt Tiere zu streicheln, Flöße zu bauen, Fische zu fangen, man kann Fußball spielen, Schwimmen gehen oder mit dem Boot rausfahren. Spielt das Wetter mal nicht mit, können die Kinder ins Hallenbad ausweichen. Im Herbst sind Indianerwo­chen mit Lagerfeuer und Goldwäsche. „Die Kinder sollen sich zur Abwechslun­g mal wieder mit natürliche­n Dingen beschäftig­en“, sagt Borchard.

Die Redaktion wurde von Borchard’s Rookhus zu der Reise eingeladen.

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FOTOS (2): BORCHARD’S ROOKHUS Stockbrotb­acken am Lagerfeuer: Der Aufenthalt im Familotel wird für Kinder zum Abenteuer.
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Schöne Aussicht: Borchard’s Rookhus am Großen Labussee

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