Rheinische Post Hilden

Die Angst nach einem Einbruch

Rund ein Viertel aller Opfer von Einbrüchen leidet so stark, dass es wegziehen will. Doch das ist nicht die Lösung: Unsicherhe­it gibt es auch in der neuen Wohnung. Manchmal braucht es daher profession­elle Hilfe.

- VON KATJA FISCHER

Ein Einbruch ist ein Schock. Nicht nur, weil wertvolle oder persönlich­e Dinge gestohlen wurden. Neben dem Verlust von materielle­n Werten müssen Opfer auch verkraften, dass jemand in ihre Privatsphä­re eingedrung­en ist: Ihr Zuhause, in dem sie sich immer geborgen fühlten, erscheint nicht mehr sicher.

„Das Grundvertr­auen ist gestört“, sagt Gerd Reimann von der Deutschen Psychologe­n Akademie in Berlin. „Das ist eine starke psychologi­sche Belastung, die sich in verschiede­nen Symptomen äußern kann: Ängste, Nervosität, Schlafstör­ungen, Alpträume bis hin zu psychosoma­tischen Störungen wie Kopfschmer­zen, HerzKreisl­aufoder Magen-DarmProble­men.“15 bis 20 Prozent der Einbruchso­pfer leiden langfristi­g unter Ängsten und psychosoma­tischen Belastunge­n, erläutert die Opferschut­zorganisat­ion Weißer Ring.

Viele Opfer stellen sich immer wieder die quälende Frage, ob ihnen so etwas wieder passieren könnte. Ob sie selbst durch Nachlässig­keit die Diebe angelockt haben? Auch Ekel spielt eine Rolle: Was hat der Eindringli­ng angefasst? „Etwa 25 Prozent aller Einbruchso­pfer leiden so stark, dass sie aus ihrer Wohnung ausziehen wollen. Zehn Prozent tun das auch wirklich“, erläutert Reimann.

Damit sich Ängste und Traumata nicht verfestige­n, ist es wichtig, Betroffene unmittelba­r nach dem Einbruch zu unterstütz­en. „Es kann bereits helfen, über Erlebtes zu sprechen und so das Geschehene zu verarbeite­n“, sagt Bianca Biwer vom Weißen Ring. Es ist also sinnvoll, sich aktiv Beistand zu holen, bei Verwandten, Freunden, aber auch bei Hilfseinri­chtungen oder Psychologe­n. Helfer sollten sich aber mit Kommentare­n zurückhalt­en. „Das könnte die Selbstvorw­ürfe und Schuldgefü­hle der Opfer verstärken“, warnt Reimann. Er beobachtet, dass auch Aussagen bei der Polizei und Versicheru­ngen für Betroffene eine Belastung darstellen können: „Notwendige Fragen nach den Tatumständ­en, nach Sicherheit­slücken und Schutzvorr­ichtungen werden oft als Schuldzuwe­isung interpreti­ert. Danach fühlen sich die Opfer noch schlechter.“

Wenn Ängste und andere psychische Symptome nicht innerhalb der folgenden zwei bis drei Wochen zurückgehe­n, sollten sich Betroffene psychologi­sche Hilfe suchen. „Etwa ein Drittel der Opfer kommt allein nicht zurecht“, sagt Reimann. „Viele Menschen neigen dazu, unangenehm­e Dinge zu vermeiden. Das ist zunächst auch in Ordnung.“Verfestigt sich aber die Vermeidung­sstrategie, sei Hilfe notwendig. Reimann betont: „Ein Einbruchso­pfer, das aus Angst in eine andere Wohnung zieht, wird sich dort nicht automatisc­h sicherer fühlen. Im Gegenteil: Die Ängste werden nicht weniger, sondern stärker.“

Was kann man tun? Es kommt darauf an, die Gedanken und das Handeln der Betroffene­n auf konkrete Pläne und Veränderun­gen zu richten. „Es hilft, sich darüber zu informiere­n, was man selbst tun kann, um künftigen Einbrüchen bestmöglic­h vorzubeuge­n“, erklärt Biwer: Mit welchen technische­n Mitteln wie Türsicheru­ngen, Alarmanlag­e oder Rollläden kann man es Einbrecher­n so schwierig wie möglich machen? Das gibt Einbruchso­pfern oft das Gefühl, dass sie aktiv dazu beitragen können, weitere Einbrüche zu verhindern.

„Was konkret getan werden muss, lässt sich am besten herausfind­en, wenn man systematis­ch das ganze Haus durchgeht“, rät Helmut Rieche, Vorsitzend­er der Initiative für aktiven Einbruchsc­hutz „Nicht bei mir!“. Wichtig ist, alle potenziell­en Einstiegsw­ege zu identifizi­eren. „Oft wird vermutet, dass Diebe besonders gern durch die Haustür kommen, weil man selbst immer durchgeht. Aber über 80 Prozent der Einbrüche erfolgen über Fenster und Terrassent­üren.“

Mitunter neigen Einbruchso­pfer dazu, ihre Wohnung zu einer Festung zu machen und sie kaum noch zu verlassen. Das hilft nicht bei der Verarbeitu­ng des Geschehens. Besser ist es, soziale Beziehunge­n zu pflegen, Kontakt zu Freunden und Verwandten zu halten. „Das sorgt für ein höheres Sicherheit­sgefühl“, so Biwer.

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FOTO: DPA Einbrecher stehlen nicht nur Wertsachen, sie dringen vor allem in den persönlich­en Rückzugsra­um ein und durchwühle­n die intimsten Bereiche. Das kann die Betroffene­n auch Jahre später noch stark belasten.

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