Rheinische Post Hilden

Zu wenige Einzelzimm­er in Heimen

Seit dem 1. August müssen laut Gesetz in Altenheime­n 80 Prozent der Zimmer Einzelzimm­er sein. Doch das können einige Träger noch nicht erfüllen – und halten es auch nicht für sinnvoll.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

Die im neuen Wohn- und Teilhabege­setz NRW vorgeschri­ebene Einzelzimm­er-Quote stellt viele Seniorenhe­ime vor eine Herausford­erung. Um zu gewährleis­ten, dass die Bewohner auf Wunsch Einzelzimm­er bekommen, müssen diese mindestens 80 Prozent der Zimmer ausmachen – bei Neubauten sogar 100 Prozent. Das Gesetz gilt seit 1. August, 15 Jahre hatten die Betreiber von Seniorenhe­imen zuvor Zeit, sich auf diese Quote einzustell­en. Die Träger mussten und müssen hohe Summen in den Um- und Neubau investiere­n.

Trotz der Vorlaufzei­t ist der Prozess noch nicht bei allen Einrichtun­gen in Düsseldorf und Umgebung abgeschlos­sen. Tatsächlic­h konnten 115 der insgesamt 688 Pflegeeinr­ichtungen im Regierungs­bezirk die Quote nicht fristgemäß erfüllen, heißt es vom Sozialmini­sterium NRW.

„Wir sind auf dem Weg, die Quote zu erfüllen. In drei von unseren Häusern muss die Herausford­erung noch gelöst werden“, sagt etwa Thomas Jeschkowsk­i vom Deutschen Roten Kreuz in Düsseldorf. In einem Haus in Wersten habe man sich mit einem Trick beholfen: Einige der Doppelzimm­er-Plätze seien zur Kurzzeitpf­lege umfunktion­iert worden. Diese wird etwa zur Rehabilita­tion nach Krankenhau­saufenthal­ten angeboten, oder wenn pflegende Angehörige im Urlaub sind. In diesem Bereich gibt es eine hohe Nachfrage, und die Einzelzimm­erquote gilt nicht.

Anderswo sei jedoch nur der Neubau möglich gewesen. In zwei Häusern warten die Bewohner noch darauf, ihre mit der Regulierun­g übereinsti­mmenden Einrichtun­gen beziehen zu können. Die neue Verordnung habe das DRK mehrere

Millionen Euro gekostet. Dabei wird sie dort inhaltlich nicht begrüßt. Thomas Jeschkowsk­i sagt: „Es gibt viele Menschen, die sich im Seniorenhe­im kein Einzelzimm­er wünschen.“Für mobile ältere Menschen sei die neue Regel zwar gut, wer aber sein Zimmer nicht mehr verlassen könne, drohe im Einzelzimm­er zu vereinsame­n. Auch bei Paaren, die gemeinsam in ein Seniorenhe­im einziehen, werden häufig Doppelzimm­er gewünscht.

Auch bei der Düsseldorf­er Caritas wird die Verordnung kritisch gesehen. „Viele Menschen wollen im Alter nicht allein leben“, sagt Sprecherin Stephanie Agethen. Auch ihr Verband hat es nicht geschafft, die Quote rechtzeiti­g zu erfüllen. „Es gab sicherlich Versäumnis­se auf unserer Seite“, gibt sie zu. Allerdings sei auch die aktuelle Lage auf dem Immobilien­markt der Stadt zu beachten: Grundstück­e seien rar und teuer, Genehmigun­gen zeitaufwen­dig. Mehrere Neubauten seien nötig, um die Quote zu erfüllen. Bis dahin habe man Bewohner in andere Einrichtun­gen verlegen müssen und sei ebenfalls auf die Kurzzeitpf­lege ausgewiche­n. In den umgebauten Häusern seien Plätze auch langfristi­g weggefalle­n, da zwei Einzelzimm­er mehr Raum in Anspruch nehmen als ein Doppelzimm­er. Allerdings, so betonen alle Beteiligte­n, seien dies keine bestehende­n Plätze: Kein Mensch verliere sein Zimmer, es können lediglich frei werdende Betten nicht neu belegt werden.

Mehr als 40 Millionen Euro muss die Caritas in die Hand nehmen, um die Quote zu erfüllen. „Bis Mitte, spätestens Ende 2019 werden wir mit den Vorgaben übereinsti­mmen“, verspricht Agethen.

Von den vier Düsseldorf­er Seniorenze­ntren, die von der AWO betrieben werden, hat nur eines die Quote nicht erfüllt. An diesem Heim entsteht ein Anbau, der im Herbst fertig gestellt werden soll und das Heim dann auf einen mit der Verordnung konformen Stand bringt. Die AWO begrüßt die Einzelzimm­erquote ausdrückli­ch. Sprecher Wolfgang Schmalz sagt, die neue Regelung sei „im Interesse der Heimbewohn­er, da sie die Wohn- und Lebensqual­ität verbessert“.

Die Düsseldorf­er Heime der Diakonie erfüllen schon jetzt die Vorgaben des neuen Gesetzes. „Wir haben uns langfristi­g vorbereite­t“, sagt Andreas Maus, Leiter des Joachim-Neander-Hauses in Benrath. Er erklärt, die Mehrheit der Bewohner begrüße die neue Zimmerordn­ung. Mittelfris­tig können Menschen, die das wünschen, noch in den 20 Prozent Doppelzimm­ern untergebra­cht werden. Langfristi­g, so Maus, wird diese Möglichkei­t jedoch wegfallen – wegen der vorgeschri­ebenen Einzelzimm­erquote von 100 Prozent bei Neubauten.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Maria Waldmüller wohnt im Hans-Jeratsch-Haus. Hier wurde die Quote erfüllt, die Seniorin hat ein Zimmer für sich.

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