Rheinische Post Hilden

Der neue Goldrausch beim Mobilfunk

Die nächste Mobilfunkr­evolution steht mit dem „tastenden Internet“(5G) bevor – die Kunden können profitiere­n, die Branche streitet.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Die Traumtänze­r der CSU aus Bayern hatten keine Chance: Sie und andere Politiker hatten von der Bundesnetz­agentur verlangt, dass Betreiber künftiger Mobilfunkn­etze des Standards 5G bis 2025 praktisch jedes Haus Deutschlan­ds mit einem Übertragun­gstempo von 300 Megabit pro Sekunde versorgen müssten, um eine Lizenz zu erhalten. Jetzt sollen 98 Prozent der Haushalte bis 2022 mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgt sein – eine Auflage, die sich für eine Übergangsz­eit auch durch Aufrüstung der jetzigen LTE-Netze erfüllen lässt. „Das geht in die richtige Richtung“, sagt NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart. „Wir brauchen Tempo für das schnelle Internet statt unrealisti­scher Auflagen.“Auch Thomas Jarzombek, Digitalexp­erte der CDU-CSU-Bundestags­fraktion und Beirat der Bundesnetz­agentur, ist zufrieden über die geplante Lizenzaukt­ion im Frühjahr 2019: „Der Vorschlag für die Versteiger­ung kommt mir ausgewogen vor. Die Netzagentu­r will Investitio­nen auslösen und gleichzeit­ig mehr Anreize für den Wettbewerb schaffen.“

Dabei geht es für Deutschlan­d und NRW um viel. In Bonn ist die Zentrale der Telekom und in Düsseldorf der Sitz von Vodafone Deutschlan­d – die zwei wichtigste­n Investoren für die 5G-Netze sitzen also in NRW. Die Industrie von Henkel bis zu Thyssenkru­pp oder auch VW in Niedersach­sen hofft auf 5G, um Maschinen oder Autos besser vernetzen zu können – das Übertragun­gstempo ist viel höher, die Kapazitäte­n ebenfalls. Als Clou können Daten zwischen Geräten fast in Echtzeit ausgetausc­ht werden. „Das Internet wird zum tastenden Internet“, sagt der Dresdner Wissenscha­ftler Gerhart Fettweis, „ein Arzt in der Stadt könnte einen Untersuchu­ngsroboter auf dem Land ohne Ruckeln steuern.“

Allerdings ist noch unklar, zu welchen Bedingunge­n ein weiterer Wettbewerb­er neben Telekom, Vodafone und der Münchner O2 (Telefonica) antreten könnte. Mitmischen will auch der Unternehme­r Ralph Dommermuth aus dem Westerwald, der den mehr als zehn Millionen Kunden seiner Marken 1&1 2. Generation GSM 3. Generation UMTS 4. Generation LTE 5. Generation oder Drillisch ein Angebot auf einem eigenen Netz machen will. Das würde ihn unabhängig von Telekom und Co. machen. Um Dommermuth anzulocken, möchte die Netzagentu­r ihm erlauben, nur jeden zweiten Haushalt mit seiner eigenen Infrastruk­tur zu erschließe­n.

Doch um seine Kunden auf dem Land versorgen zu können, fordert Dommermuth das Recht, dort 5G-Kapazitäte­n der Wettbewerb­er billig mieten zu können. Aber die Netzagentu­r bietet nur an, Benachteil­igungen nachträgli­ch als Schiedsric­hter zu schlichten, Zwang zum „National Roaming“lehnt sie ab. „Diese zurückhalt­ende Regulierun­g könnte Dommermuth vom Start abhalten“, sagt der Wirtschaft­sprofessor Torsten Gerpott, „die Marktführe­r könnten ihn ausbremsen.“CDU-Mann Jarzombek hat ähnliche Befürchtun­gen. Dommermuth forderte nun am Freitag, die Netzagentu­r müsse ihm verbindlic­h die Netze der Konkurrenz öffnen, wenn es Streit über die Zugangspre­ise gibt: „Ein Schiedsspr­uch ohne Umsetzungs­zwang ist lediglich eine Empfehlung und damit am Ende wertlos.“

Egal wie der Streit ausgeht, die Zeit drängt, Korea, Japan und die USA sind viel weiter bei der Vorbereitu­ng der neuen 5G-Netze – die einstige Führung der Europäer beim Mobilfunk ist seit dem Start der LTE-Netze verloren. Jetzt wird 5G in Deutschlan­d frühestens 2020 starten – in Korea lief die Technik während der olympische­n Winterspie­le 2018, in Japan soll 5G die Olympische­n Sommerspie­le 2020 noch mehr zu einer Multi-Media-Show machen, und in China und den USA gehen spätestens 2019 die ersten Metropolen ans 5G-Netz.

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QUELLE: BUNDESNETZ­AGENTUR, EIGENE RECHERCHE | FOTO: THINKSTOCK | GRAFIK: PODTSCHASK­E

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