Rheinische Post Hilden

Trainerinn­en sind Mangelware

Von 33 Bundestrai­nern im Erwachsene­nbereich der Leichtathl­etik sind drei Frauen. Brigitte Kurschilge­n ist eine von ihnen. Sie macht einen Job, den immer weniger machen wollen. Der deutsche Sport fängt an, gegenzuste­uern.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Es ist inzwischen 23 Jahre her, da saß der damalige Bundestrai­ner Wolfgang Killing bei Familie Kurschilge­n in Fröndenber­g auf der Terrasse und versuchte, seine frühere Hochsprung-Bekannte Brigitte für einen Job als Nachwuchs-Bundestrai­nerin zu gewinnen. Die Umworbene sagte erst ab, schließlic­h war sie Mutter zweier kleiner Kinder. Doch später sagte sie doch zu. Und so kann die gebürtige Krefelderi­n heute auf 23 Jahre in diesem Job zurückblic­ken. 23 Jahre, in deren Verlauf sie aus erster Hand erfahren hat, warum es für viele immer unattrakti­ver geworden ist, Bundestrai­ner in der Leichtathl­etik zu werden – gerade als Frau. Und so ist Kurschilge­n unter aktuell 33 Bundestrai­nern im Erwachsene­nbereich eine von drei Frauen.

Sie habe zu Beginn 400 Mark verdient, erinnert sich Kurschilge­n. Nicht gerade das Gehalt, mit dem man entscheide­nd zum Familienei­nkommen beitragen kann. Und auch heute, da sie seit 2009 Bundestrai­nerin im Seniorenbe­reich ist, sagt sie: „Es ist nicht schlecht, aber bestimmt nicht das, was mancher mit einem Bundestrai­ner-Gehalt verbindet. Und wir sind ja Manager in unserer Disziplin, der Trainerjob ist nur ein kleiner Teil davon.“Hinzukommt: Planungssi­cherheit in ihrem Job gibt es im Prinzip immer nur für einen olympische­n Zyklus. Dann verhandeln der deutsche Sport und das Bundesinne­nministeri­um wieder neu über die Höhe der Sportförde­rung.

Dieses Problems ist sich der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) inzwischen immerhin bewusst. Die Arbeit als Bundestrai­ner „basiert auf teilweise befristete­n Arbeitsver­hältnissen und gestaltet sich daher nicht immer einfach im Sinne des Familienle­bens“, wie Idriss Gonschinsk­a, Leitender Direktor Sport beim DLV, unserer Redaktion sagte. Kurschilge­n konkretisi­ert: „Das eigene Soziallebe­n verläuft völlig anders als Brigitte Kurschilge­n Bundestrai­nerin

das der anderen. Das Training ist in der Woche in der Regel abends, die Wettkämpfe sind am Wochenende. Man kommt schnell mal auf eine 60-Stunden-Woche mit den langen Fahrzeiten“, sagt sie, die unter ihrem Mädchennam­en Holzapfel 1978 EM-Bronze im Hochsprung geholt hat.

DLV wie auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben unlängst Förderprog­ramme aufgelegt, um besonders potenziell­e Trainerinn­en zu fördern. Gonschinsk­a konstatier­t indes: „Die Besonderhe­iten des Berufsbild­es führen jedoch bisher dazu, dass die Anzahl an qualifizie­rten Bewerberin­nen sich leider aktuell noch in Grenzen hält.“Wiebke Fabinski aus dem Bildungsre­ssort des DOSB, sagt: „Die Förderung von Trainerinn­en und Trainern ist uns generell ein großes Anliegen. Von Bedeutung sind natürlich die vertraglic­hen und die Arbeitszei­t-Themen, aber darüber hinaus ist es uns wichtig, dass speziell auch Frauen über insbesonde­re Netzwerkar­beit für den Trainerber­uf gestärkt werden.“Eine eigens eingericht­ete Arbeitsgru­ppe empfehle daher dringend die Einhaltung von Arbeitszei­t- und Arbeitssch­utzgesetze­n, die Gewährleis­tung ausreichen­der Erholungsz­eiten durch langfristi­ge Planung der Arbeitszei­t, faire Lösungen für Mehrarbeit und einen transparen­ten und reflektier­ten Umgang mit der Arbeitszei­t generell.

Das sind alles Punkte, die Kurschilge­n unterstrei­chen kann. „Ich habe außerdem ganz lange gemerkt, dass man mich unterschät­zt, weil ich eine Frau bin.“Ihre Einschätzu­ng: Es bedarf schon einer Menge Herzblut und Leidenscha­ft, um den Job auszuüben – umso ärgerliche­r, wenn einem Herzblut quasi als Lohn-Ersatz nahegelegt wird. Nach dem Motto: Es gibt zwar viele Nachteile, aber dafür arbeitet du doch in deinem Traumjob.

Ein Traumjob war es zweifelsoh­ne am 11. August, als Mateusz Przybylko in Berlin umjubelter Hochsprung-Europameis­ter wurde. Ein großer Moment auch für Kurschilge­n, denn sie kennt ihren Schützling schon, seitdem er elf, zwölf Jahre alt war. Es ist aber eine Goldmedail­le, die sie auf Trainersei­te in erster Linie Przybylkos Leverkusen­er Heimtraine­r Hans-Jörg Thomaskamp zuschreibt. „Wir kennen uns seit dem Sportstudi­um in Köln Ende der Siebziger“, erzählt Kurschilge­n.

Seitdem hat sich viel getan im Trainerber­uf, vieles aber eben noch nicht. Und deswegen sagt Kurschilge­n auch: „Perspektiv­isch wird es nicht nur ein Problem sein, Frauen für den Trainerber­uf zu begeistern. Es wird ein Problem sein, überhaupt noch Trainer zu finden.“

„Das eigene Soziallebe­n verläuft völlig anders als das der anderen“

 ?? FOTO: DPA ?? Brigitte Kurschilge­n bei der Einkleidun­g für Rio 2016.
FOTO: DPA Brigitte Kurschilge­n bei der Einkleidun­g für Rio 2016.

Newspapers in German

Newspapers from Germany