Rheinische Post Hilden

Orte erinnern an Wirtschaft­sgeschicht­e

Dass Firmen eine „eigene“Adresse erhalten, ist eine Düsseldorf­er Tradition, die bis heute gelebt wird. Aber viele Straßennam­en erinnern an Unternehme­n, die heute gar nicht mehr existieren.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Düsseldorf ist unbestritt­en ein unveränder­t prosperier­endes Wirtschaft­szentrum. Das ist nicht neu, sondern elementar für den Aufstieg Düsseldorf­s von der kleinen Provinzsta­dt zum „Schreibtis­ch des Ruhrgebiet­s“in der Hochzeit der deutschen Industrial­isierung. Düsseldorf ist auch bekannt dafür, Firmen, die ihre Zentrale in der Stadt errichten, eine eigene Firmenadre­sse zu spenden. Wie etwa jüngst der Ergo-Versicheru­ng, die seit wenigen Wochen an der neuen Adresse Ergo-Platz liegt.

Doch Düsseldorf ist auch groß darin, Straßennam­en zu belassen – von Firmen, die so oder überhaupt nicht mehr existieren. Bei manchen ist der Ursprung offensicht­lich, bei anderen aber ist der industriel­le Hintergrun­d bei vielen Düsseldorf­ern in Vergessenh­eit geraten.

Jedenfalls sind die Düsseldorf­er stolz auf ihre alten Ortsbezeic­hnungen, auch wenn der Hintergrun­d längst Geschichte ist. Als vor einigen Jahren der damalige NRW-Wirtschaft­sminister Garrelt Duin das Mannesmann-Hochhaus in Richard-von-Weizsäcker-Hochhaus umbenennen wollte, gab es einen Sturm der Entrüstung.

Hunderte alte Mannesmann-Mitarbeite­r, die Düsseldorf­er Jonges und andere Heimatfreu­nde schrieben wütende Leserbrief­e. Schließlic­h musste der Minister die Änderung absagen. Würde jemand den Vorschlag äußern, das Mannesmann­ufer, die Adresse des Hauses, zu ändern, der Aufruhr dürfte ähnlich sein.

Der Name erinnert an das einst vielleicht neben Henkel bedeutends­te Düsseldorf­er Industrieu­nternehmen. Noch Ende der 1990er Jahre beschäftig­te der Traditions­konzern mehr als 130.000 Menschen. Im Jahr 2000 wurde der damalige Dax-Konzern in der mit einem Kaufpreis von 190 Milliarden Euro bis heute teuersten Übernahme der Welt vom britischen Mobilfunku­nternehmen Vodafone geschluckt.

Ein anderes Beispiel für Firmen, die heute ganz anders heißen aber Adressen belegen, ist etwa der Victoria-Platz. Der Name Victoria ist längst Geschichte, die Marke ging in der Ergo auf und wird seit Jahren nicht verwendet. Aber die Haltestell­e Victoriapl­atz bleibt weiter bestehen. 1963 errichtete die Düsseldorf­er Familie Gatzweiler eine moderne Großbrauer­eianlage in Heerdt. Dort wurde neben Schlüssel Alt die Massenmark­e Gatzweiler­s Alt gebraut. Die Brauerei erreichte 1977 mit 530.000 Hektoliter­n den größten Ausstoß ihrer Geschichte. 1990 wurden die Gaststätte und die Brauereian­lage im Stammhaus aufwändig renoviert. Ab Mitte der 1990er Jahre brach der Absatz um über die Hälfte ein. Daraufhin entschloss man sich, die Brauerei in Heerdt zu verkaufen und nur das Stammhaus in der Altstadt weiterzube­treiben. Die Biermarke Gatzweiler­s Alt (Gatz) wurde ebenfalls abgestoßen und wird heute für den Carlsberg-Konzern in Krefeld hergestell­t. An diese Geschichte erinnert bis heute der Simon-Gatzweiler-Platz. Die Familie Poensgen kam im 19. Jahrhunder­t aus der Eifel nach Düsseldorf. Im 20. Jahrhunder­t war sie eine der bedeutends­ten Unternehme­rfamilien der Stadt.

Gleich vier Mal hat sich der Clan mit Straßennam­en in Düsseldorf verewigt: Albertstra­ße in Flingern (nach Albert Poensgen), Ernst-Poensgen-Allee in Grafenberg, Gustav-Poensgen-Straße und Karl-Rudolf-Straße (Karl-Rudolf Poensgen war von 1907 bis 1933 Präsident der IHK), die beide in Friedrichs­tadt liegen. „Es ist allzu verständli­ch, dass eine Vielzahl von Straßen und Plätzen nach den Unternehme­rn vergangene­r Zeiten benannt worden sind“, sagt heute IHK-Hauptgesch­äftsführer Gregor Berghausen. Das gelte beispielsw­eise auch für den Simon-Gatzweiler-Platz oder das Mannesmann­ufer – „die beide einen großen Namen tragen, obwohl es die namensgebe­nden Unternehme­n nicht mehr gibt“. „Straßen und Plätze aber erinnern an die Macher von damals, die die Entwicklun­g des Wirtschaft­sstandorts Düsseldorf maßgeblich geprägt haben“, sagt Berghausen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Das Straßensch­ild am Mannesmann­ufer vor dem Mannesmann-Hochhaus erinnert an die lange Geschichte des Konzerns in Düsseldorf.

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