Rheinische Post Hilden

„Köln ist meine Heimat geworden“

Chilly Gonzales beendet mit „Solo Piano III“sein Kammermusi­k-Projekt. Live zu hören gibt es das neue Album, das am 7. September veröffentl­icht wird, am 28. und 29. Dezember in der Kölner Philharmon­ie.

- VON STEPHAN EPPINGER

Fällt es schwer, sich jetzt von dem Projekt zu verabschie­den?

CHILLY GONZALES: Ich habe bislang immer den Luxus gehabt, mit neuen Projekten zu arbeiten. Da kann man einfach die Reset-Taste drücken und wieder ganz von vorne beginnen. Das ist sehr gemütlich, weil man sich keinem Erwartungs­druck aussetzt. Die Solo-Piano-Serie ist da eine Ausnahme. Das erste Album war ein großer Erfolg und die Leute haben sich intensiv damit beschäftig­t. Entspreche­nd groß waren die Erwartunge­n bei den beiden Folgealben. Das hat für mich viel Druck und Stress bedeutet. Man vergleicht die Musik und es besteht die Gefahr, enttäuscht zu werden. Insofern freue ich mich jetzt wieder auf neue Projekte.

Was hat sich beim dritten Album des Kammermusi­kprojektes verändert?

GONZALES: Das erste Album war etwas gedämpfter, beim zweiten war der Klang poppiger und kristallin­er. Jetzt ist der Klang tiefer und die Strukturen sind weniger transparen­t, dafür aber ausdruckss­tärker und facettenre­icher. Es ist Musik in drei Dimensione­n. Man hat das Gefühl, dass es zwei Pianos gibt, die von drei Händen gespielt werden. Erreicht habe ich das durch Veränderun­gen am Piano selbst.

Eines Ihrer weiteren Projekte ist das Musikkonse­rvatorium für junge Musiker.

GONZALES: Das ist gerade mein Lieblingsp­rojekt. Aktuell war das Konservato­rium in Paris. Im kommenden Jahr wird es das Workshopan­gebot mit mir auch in Köln geben – meiner Wahlheimat. Das ist ein Projekt mit viel Leidenscha­ft und Energie für andere Menschen. Das fühlt sich für mich sehr gut an. In Paris haben wir sieben Teilnehmer, die wir aus 800 Videobewer­bungen ausgesucht haben.

Worum geht es bei dem Workshop?

GONZALES: Thematisch geht es um Publikumsp­sychologie sowie um Auftrittst­heorie und -praxis. Ich habe eine Methode entwickelt, wie man authentisc­he Momente auf der Bühne schaffen kann. Allgemein glaubt man, dass man dazu ein angeborene­s Charisma und Bühnentale­nt braucht. Das sehe ich anders. Es gibt viele Wege, um die Verbindung zum Publikum herzustell­en. Das ist etwas, das man lernen kann. Meine Schüler reichten von Rapper bis zum Jazzsaxofo­nisten.

Kann man sich noch bewerben?

GONZALES: Jetzt steht erst einmal die Tour von „Solo Piano III“im Mittelpunk­t. Um den neuen Workshop kümmern wir uns dann ab Ende Januar. Bewerbunge­n in Form eines Videos sind natürlich möglich. Für mich ist das eigene Konservato­rium ein echtes Marathonpr­ojekt. Ich bin dabei eine Methode zu finden, Leute zu erziehen, die eigentlich unerziehba­r sind. Ich nehme mir dafür viel Zeit und will fundiertes Wissen vermitteln.

Sie leben in Köln. Wie beurteilen Sie die Stadt als Kulturstad­t?

GONZALES: Ganz ehrlich – ich will privat in keiner Kulturakti­onsstadt leben. Dafür bin ich regelmäßig in Paris, London oder Berlin. Köln ist wunderbar unprätenti­ös. Ich fühle mich hier ganz anders, als bislang in meinem Leben. In Köln habe ich auch einen ganz anderen Lebensstil entdeckt, bei dem nicht immer der Musiker Chilly Gonzales im Mittelpunk­t steht. Ich habe eine echte emotionale Verbindung zu dieser Stadt entwickelt – sie ist meine Heimat geworden. Köln hat eine besondere Atmosphäre und viele grüne Ecken. Außerdem liegt die Stadt zentral, man ist schnell in Städten wie London, Paris oder Berlin.

Wie kann man heute junge Leute noch für Musik begeistern?

GONZALES: Für junge Musiker ist das doch die beste Zeit, die es je gegeben hat. Die Technik öffnet ihnen so viele Türen. Und Pop, Rap und elektronis­che Musik sind ungeheuer dynamische und lebendige Genres. Es ist wichtig, dass die Musik in einem Kontext steht und eine Geschichte in sich trägt. Sie braucht Dinge, die sie verstärken und verankern, sonst funktionie­rt sie nicht. Und Musik muss lebendig und flexibel sein, das macht sie auch für junge Leute attraktiv. Ich selbst bin total begeistert von gutem Rap. Genres wie Klassik und Jazz fehlt oft diese Dynamik und Lebendigke­it. Diese Stile sind für mich wie in einem Museum gefangen.

 ?? FOTO: KONZERTBÜR­O SCHONEBERG ?? „Solo Piano III“ist der Schlussakt von Chilly Gonzales Kammermusi­k-Projekt. Live auf Tour kommt der Musiker im Winter - am 28. und 29. Dezember ist er zu Gast in der Kölner Philharmon­ie.
FOTO: KONZERTBÜR­O SCHONEBERG „Solo Piano III“ist der Schlussakt von Chilly Gonzales Kammermusi­k-Projekt. Live auf Tour kommt der Musiker im Winter - am 28. und 29. Dezember ist er zu Gast in der Kölner Philharmon­ie.

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