Prozessauftakt für VW-Aktionäre
Anleger werfen dem Konzern vor, zu spät über Manipulationen informiert zu haben.
FRANKFURT (bsc) Schadenersatz wegen Dieselgate? Darauf hoffen zahlreiche Anleger, die mit ihrem Investment in VW-Aktien wegen des Abgasbetrugs kräftige Kursverluste erlitten haben. Am Montag wird das vor dem Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig verhandelt.
Warum gibt es ein Musterverfahren?
Das Verfahren soll schneller und flexibler abgewickelt werden können, wenn die grundsätzlichen Fragen gebündelt werden. Musterklägerin ist die die Fondsgesellschaft Deka. Doch dahinter stehen aber mehr als 1000 andere Kläger. Die Forderungen belaufen sich auf mehr als neun Milliarden Euro.
Worum geht es?
Um die Frage, wer bei VW wann was von der Abgasmanipulation wusste. Danach richtet sich der Zeitpunkt, zu dem der Konzern die Anleger hätte informieren müssen.
Wie hoch sind die Verluste der Kläger?
Das kommt auf den Zeitpunkt des Aktienkaufs an. Die Tilp-Rechtsanwälte, die die Musterklägerin vor dem OLG in Braunschweig vertreten, nehmen als Anhaltspunkt für die Verluste den Schlusskurs der VW-Aktien am 17. September. Am Tag darauf machte die amerikanische Umweltbehörde EPA die Manipulation der Abgaswerte öffentlich. Bis zum 22. September 2015, als VW die Börse informierte und seine Gewinnziele zurücknahm, sei der Kurs der VW-Stammaktien um 56,20 Euro gefallen, der der Vorzugsaktien sogar um 61,80 Euro. Die Kursverluste zwischen diesen beiden Tagen bei der Porsche-Aktie betrugen 21,03 Euro. Klägeranwalt Andreas Tilp möchte aber eher prozentuale Verluste einklagen. Dabei ist es in dem Verfahren egal, ob die Aktionäre tatsächliche Verluste erlitten haben, weil sie ihre Aktien zwischenzeitlich verkauft haben, oder nur „Buchverluste“erlitten haben, die Aktien also immer noch halten.
Wie wollen die Anwälte vorgehen?
Das Kernproblem sehen sie nicht erst mit der Bekanntgabe der Manipulation am 18. September 2015, sondern schon im April 2008. Denn da, so meint Tilp, habe VW schon erkannt, dass die Reduzierung der Abgase auf das vorgeschriebene Niveau nicht möglich sei. Spätestens dann hätte man den Kapitalmarkt informieren müssen.
Wie sieht VW das?
VW konzentriert sich auf die Phase vom 18. September an. Denn da habe der Vorstand erst vom Ausmaß des Abgasskandals erfahren. Deshalb gelte die Haftung des Unternehmens nicht für die Kursverluste.
Wie sehen das die Anwälte?
Sie meinen, das Unternehmen müsse auch haften, wenn die Manager unterhalb der Führungsebene Bescheid wussten, die sogenannten „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“. Es gebe Hinweise, dass dies so gewesen sei. Diese hätten den Vorstand informieren müssen. Deshalb sei das dem Unternehmen zuzurechnen, meint Tilp.
Wie lange dürfte der Prozess dauern?
Angesetzt ist er bis zum 10. Dezember. Das OLG könnte 2019 sein Urteil fällen. Doch das letzte Wort dürfte wohl erst der Bundesgerichtshof sprechen.