Rheinische Post Hilden

„Ich bin noch derselbe wie damals“

Der gebürtige Kaarster und ehemalige Football-Profi Sebastian Vollmer über Heimat, Selbstzwei­fel und Völlerei.

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DÜSSELDORF Der Super-Bowl, das Finale der National Football League (NFL), ist das größte Sportspekt­akel der Welt. Ein Rheinlände­r hat die Trophäe zweimal gewonnen: Sebastian Vollmer (34) aus Kaarst. Sein Weg begann beim Football-Team der Düsseldorf Panthers. Nach dem Abitur in Neuss wechselte er ans College in Houston und von dort in die NFL zu den New England Patriots. Seine Karriere hat er verletzung­sbedingt 2016 beendet.

In Ihrer Karriere hatten Sie so gut wie nie den Ball. Ihr Job war es, den Quarterbac­k zu schützen. Warum hat es Ihnen trotzdem Spaß gemacht, zu spielen?

VOLLMER Football war für mich eine einzige Faszinatio­n. Besonders die Gemeinscha­ft hat es mir angetan. Gemeinsam an etwas zu arbeiten, gemeinsam zu leiden. Das Physische hat mir gefallen. Außerdem gibt es ein riesiges Drumherum, die Leute kommen lange vor dem Spiel zur Arena, grillen und quatschen. Das gibt es so in Deutschlan­d nicht. Den Ball hatte ich in meiner Karriere vielleicht fünf Mal im Spiel. (lacht)

Sie haben ein Buch geschriebe­n. Warum muss man es lesen? VOLLMER Es ist eine Biografie. Ich denke, es ist eine Geschichte, die kein anderer Deutscher so erzählen kann. Es geht um meinen Weg von meiner Heimat Kaarst über Düsseldorf aufs US-College und schließlic­h zu den New England Patriots in die NFL. Es geht um Verletzung­en, meine Zweifel, die Quälerei. Es ist eine ehrliche Geschichte. Der Fan sieht nur die Show.

Sie hatten Zweifel?

VOLLMER Es gab nicht wenige Situatione­n, in denen ich gezweifelt habe. Ganz am Anfang ging es los. Kurz nachdem ich in die USA gezogen war, meinte ein Oberhaupt der Universitä­t mit Bezug auf mich: „Da haben wir schon wieder eines unserer Stipendien verschenkt.“Abends lag ich häufig im Bett und dachte: „Hat der Recht?“Für mich war die Lösung harte Arbeit. Kopf runter, einfach alles geben.

Würden Sie jungen Sportlern das als Rat mitgeben?

VOLLMER Nicht nur Sportlern. Zweifel kennt jeder. Mir hat harte Arbeit immer geholfen. Man sollte andere Menschen nicht bestimmen lassen, welchen Weg man geht.

Ist der Wille im Profisport also wichtiger als Talent?

VOLLMER Die Amerikaner sagen: „Hard work beats talent, if talent does not work hard“, zu Deutsch: Harte Arbeit schlägt Talent, wenn das Talent nicht hart arbeitet. Wenn du Talent hast und hart arbeitest, ist alles möglich.

Hatten Sie Heimweh, als Sie vor 14 Jahren in den USA ankamen? VOLLMER Sehr. Besonders am Anfang. Als ich hier angekommen bin, hat ein Telefonat in die Heimat fast zwei Dollar pro Minute gekostet. Das hat den Kontakt erschwert. Ich bin ein Mensch, der viel nachdenkt, der Abschied ist mir sehr schwer gefallen. Darüber konnte ich in meiner Karriere nicht sprechen. Als Profi muss man ein harter Hund sein.

Welche Beziehung haben Sie nun zu ihrer Heimat?

VOLLMER Mein Lebensmitt­elpunkt sind die USA geworden. Ich lebe hier mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Aber Deutschlan­d ist ein großer Teil von mir, den ich an meine Familie weitergebe­n möchte, damit meine Kinder wissen, wo ihr Vater herkommt. Wir sind regelmäßig in Deutschlan­d.

Und speziell zu Kaarst?

VOLLMER Meine Eltern und meine Schwester leben dort. Aber ich bin auch gerne in Düsseldorf. Mein Leben hat sich zwar unfassbar verändert, aber ich bin noch derselbe wie damals als Schüler in Neuss am Quirinus-Gymnasium.

Hier ist Fußball die Nummer eins. Fiebern Sie mit einem Verein mit? VOLLMER Als Kind war ich fast jedes Wochenende mit meinem Vater bei Fortuna Düsseldorf. Es ist definitiv die Fortuna.

Ein großer Teil ihres Alltags als Profi war das Essen. Sie hatten einen enormen Kalorienbe­darf. Haben

Sie die Völlerei satt?

VOLLMER Ich wog 150 Kilo. Jetzt habe ich etwa 30 Kilo abgenommen. Ich musste Kalorien in mich stopfen, um das Gewicht zu halten, habe Esslöffel Olivenöl geschluckt. Ich esse jetzt dasselbe wie während meiner aktiven Zeit, nur viel weniger.

Der NFL-Saisonstar­t wird von

Streit überlagert: Profis haben Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Wie bewerten Sie es, dass Trump einige Spieler deswegen als „Hurensöhne“beschimpft hat?

VOLLMER Die Amerikaner konnten sich vor ein paar Jahren nicht vorstellen, dass ihr Präsident mal so etwas sagen würde. Für mich ist unvorstell­bar, dass Angela Merkel sich jemals so äußern könnte. Es ist ein Thema, das seit zwei Jahren tobt.

Und wer gewinnt den Super Bowl? VOLLMER Für mich ist immer der amtierende Meister Favorit, also die Philadelph­ia Eagles. Die Patriots sind ja immer irgendwie dabei. Die Los Angeles Rams und Jacksonvil­le Jaguars muss man auch nennen.

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FOTO: DPA 2015: Sebastian Vollmer im Football-Dress der New England Patriots

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