Jochen Gerz erzählt von sich an der Museumsfassade
DUISBURG (los) Das ist vielleicht die ungewöhnlichste Kunstbeilage, die jemals unsere Zeitung schmückte: Ein ziemlich wildes, inspirierendes Lesebuch ist es geworden mit Texten und Bildern zu Ereignissen zwischen 1940 bis 2010. Man kann darin schmökern, kann sich an dies und jenes erinnern – am besten und sinnvollsten aber geht man mit dem Heft, das heute der RP beiliegt, zum Duisburger Lehmbruck-Museum. An der Fassade findet sich nämlich der Urtext: Auf der Glasfassade und einer Länge von 100 Metern hat der Künstler und Documenta-Teilnehmer einen Rückblick auf sein Leben und sein Werk geschrieben. „The Walk“heißt die Ausstellung, die am 23. September eröffnet wird.
„The Walk“, das ist der Weg eines großen Künstlers, der natürlich nie losgelöst gesehen werden kann von den Geschehnissen der Zeit. Darum gibt es Anmerkungen an der Fassade, und ausgeführt werden diese exklusiv in unserer Beilage. Das hört sich komplizierter als es ist. Fassadenund Beilagentext ergeben ein Ganzes, korrespondieren miteinander und treten in Widerstand zueinander. Der Künstler setzt sich der Öffentlichkeit aus, und dass der Text an der Außenwand des Museums steht, ist Programm und keine Form irgendeiner Verzierung.
Der Akt der künstlerischen Veröffentlichung stellt auch die Institution Museum zur Diskussion. Kunst darf für Jochen Gerz kein Erlebnis nur für Wenigen sein. Wenn sie ihre gesellschaftliche Bedeutung wahrnehmen will, muss sie genau dort, im öffentlichen Raum, auch wirken können. Kunst auf der Straße ist keine Kunst zweiter Klasse, sondern Kunst für jeden, der sich von ihr ansprechen lassen möchte. Zu dieser besonderen Öffentlichkeit gehört auch das Wechselspiel mit unserer Zeit. Die Beilage wird so Teil der Ausstellung „The Walk“. Und sie ist gültig weit über ihren Erscheinungstag hinaus. Man sollte sie aufbewahren für die Besuche im Lehmbruck-Museum und mit ihr einer Zeit, einem Werk und einem Künstler folgen. Gelegenheit dazu gibt es reichlich: „The Walk“wird vom 23. September bis zum 5. Mai 2019 zu erleben und nachzugehen sein.