Rheinische Post Hilden

Der Tunnelbau zu Hambach

Der Kerpener Kurt Claßen hat seine Wiese am Hambacher Forst Klima-Aktivisten für ein Camp zur Verfügung gestellt. Auf dem Gelände entdeckte die Polizei Tunnel mit Quergängen, die schon seit Jahren bestehen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KERPEN Kurt Claßen steht auf seiner Wiese, die an den Hambacher Forst grenzt. Der Energiekon­zern RWE will diese Wiese kaufen – Claßen verlangt dafür rund 32 Milliarden Euro. Diesen Ertragswer­t hat er mit der Immobilien­werte-Ermittlung­sverordnun­g berechnet. Zugrunde gelegt hat er einen von ihm geschätzte­n Jahresumsa­tz von rund vier Milliarden Euro, den RWE mit Braunkohle erwirtscha­ftet – und für den Tagebau Hambach braucht der Konzern auch Claßens Wiese.

Der Kerpener hat Klimaaktiv­isten erlaubt, auf seinem 2500 Quadratmet­er großen Gelände mit direktem Zugang zum Forst ein kleines Dorf aus Holzhütten, Wohnwagen und Zelten zu errichten. Vor rund zwei Wochen, am 28. August, hat es dort eine Durchsuchu­ng der Polizei gegeben. Drei Erdlöcher wurden entdeckt. Diese sind in einem internen Einsatzber­icht als Einstiegsl­uken in einen Tunnel und als Erdlöcher bezeichnet worden. „Bei der Einstiegsl­uke handelte es sich um einen Eintrittss­chacht in eine Tunnelanla­ge“, sagt Claßen. „Die Polizei hat diesen Schacht und die damit verbundene­n Gänge mit Beton verfüllen lassen.“In einer Presserklä­rung der Aachener Polizei vom 28. August 2018 heißt es: „Unter mehreren Baracken entdeckten die Durchsuchu­ngskräfte tiefe Löcher, augenschei­nlich als geplantes Tunnelsyst­em angelegt. Diese wurden zur Gefahrenab­wehr mit Beton verfüllt.“

Claßen kennt auch einen Tunnel auf diesem Gelände. Den, den er meint, entdeckte die Polizei am 11. April 2016 bei einer Razzia. „Da habe ich zum ersten Mal Kenntnis davon erlangt.“Er sei dann als Eigentümer des Grundstück­es vom zuständige­n Bauamt Düren aufgeforde­rt worden, den Tunnel mit Beton zu verfüllen. „Der Eintrittsb­ereich war mit einer Tiefe von etwa zwei bis drei Metern vorhanden. Dann zweigte ein Durchgang ab. Der weitere Verlauf des Stollens wurde nicht mehr erkundet“, heißt es in einem behördlich­en Schreiben der Kreisverwa­ltung. „Plastikroh­re ragten aus dem Tunnel hervor und dienten wohl der Belüftung und eventuell auch der Verständig­ung.“Der Tunnel sei zumindest teilweise mit Holz und Beton verstärkt worden.

Die zuständige Polizei Düren bestätigt die Entdeckung vom 11. April 2016. „In einer Lehmhütte wurde ein Aushub festgestel­lt, der den Blick in einen etwa drei Meter tiefen Schacht freigab. Dieser Schacht führte weiter in einen Gang, der lediglich in Kriechstel­lung aufgesucht werden konnte“, sagte Dürens Polizeispr­echerin Melanie Arenz auf Anfrage unserer Redaktion am Dienstag. „Von diesem Gang führte ein weiterer Abgang in die Tiefe.“Weitere gesicherte Erkenntnis­se über den Schacht und den Kriechgang wurden nicht erlangt.

Claßen ist selbst im April 2016 in den Tunnel gestiegen. „Ich bin mit einer Lampe da runter. Bis zum Ende des Quertunnel­s. Und dann gab es einen weiteren Schacht, der etwa zwei bis drei Meter breit war“, sagt er. „Von dort ging es dann wieder in die Tiefe. Da bin ich dann aber nicht mehr weiter, weil ich da wohl kaum alleine rausgekomm­en wäre.“

Claßen weigerte sich, den Tunnel mit Beton zu verfüllen. „Das wären 15 bis 20 Kubikmeter gewesen. Der Boden wäre dann für eine mögliche spätere landwirtsc­haftliche Nutzung unbrauchba­r gewesen“, sagt er. „Darum habe ich den Tunnel nicht verfüllt, sondern ihn stattdesse­n fachgerech­t von einem Tischlerme­ister mit Holz abdecken und versiegeln lassen.“Nun aber hat er festgestel­lt, dass die Polizei den versiegelt­en Eintrittss­chacht am 28. August 2018 wieder geöffnet hat und diesen „und die damit verbundene Tunnelanla­ge mit Beton verfüllt hat“, so der Kerpener.

Die Behauptung, der Tunnel erinnere an die des Viet Cong in Vietnam, wie ein Polizist unserer Redaktion gesagt hatte, hält er jedoch für übertriebe­n und verfehlt. „Ich erinnere mich aber an das Modell einer großen Tunnelanla­ge aus dem Hambacher Forst. Dieses Modell stammt aus einer mir vorliegend­en Polizeiakt­e und bezieht sich auf einen Tunnel, der 2012 entdeckt und geräumt worden ist“, so Claßen. Damals wurde ein Aktivist von der Polizei nach Tagen aus sechs Metern Tiefe geholt.

Der Hambacher Forst ist von der Polizei zu einem „gefährlich­en Ort“erklärt worden. Das heißt, dass die Polizei dort verdachtsu­nabhängig Personen- und Fahrzeugko­ntrollen durchführe­n kann. Die gesamte Gegend ist von der Polizei abgeriegel­t. An allen wichtigen Straßen gibt es Kontrollst­ellen. Ohne Personalau­sweis kommt keiner weiter.

Friedliche Demonstran­ten lassen sich aber von den Polizeikon­trollen nicht abschrecke­n. Auch am Mittwoch riss der Zustrom nicht ab. Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) und Greenpeace haben Wohnwagen aufgebaut, am Dienstag machte sich der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Anton Hofreiter ein Bild von der Situation.

Indes ist ein Treffen zwischen dem Energiekon­zern RWE und Umweltschu­tzverbände­n zum Hambacher Forst ergebnislo­s zu Ende gegangen. Die Gespräche hätten keine Annäherung gebracht, teilte Greenpeace mit. Greenpeace, der BUND und der Deutsche Naturschut­z Ring (DNR) hätten gefordert, die geplanten Rodungen auszusetze­n, bis die derzeit tagende Kohlekommi­ssion ihre Arbeit abgeschlos­sen habe. RWE habe bei dem Treffen am Montag vorgeschla­gen, erst ab dem letzten geplanten Sitzungsta­g der Kohlekommi­ssion am 15. Dezember mit dem Fällen der Bäume zu beginnen. Dafür sollten die Verbände im Gegenzug aber die Rodung des Waldes öffentlich akzeptiere­n.

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FOTOS: CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER Kurt Claßen zeigt eine mittlerwei­le mit Beton verfüllte Eingangslu­ke auf seiner Wiese.
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Diesen Tunnel hat Kurt Claßen selbst erkundet.

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