Rheinische Post Hilden

Toter Elfjährige­r aus Neuss: Zehn Jahre Haft für Onkel

-

DÜSSELDORF/NEUSS (jasi) Das Urteil ist verkündet, viele offene Fragen bleiben. Das Landgerich­t Düsseldorf hat den Neusser Sven F. am Dienstag wegen gefährlich­er Körperverl­etzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Richter Markus Immel machte deutlich, dass die Kammer keinerlei Zweifel an der Schuld des Angeklagte­n habe. Zwar könnten der genaue Tathergang und auch das Motiv nicht vollständi­g aufgeschlü­sselt werden. Es stehe jedoch fest, dass der Neusser seinen Neffen, der zu diesem Zeitpunkt bei ihm lebte, am 5. Oktober 2017 im Badezimmer einen so heftigen Schlag verpasste, dass der Junge in die Badewanne fiel. Daraufhin habe der Angeklagte dem leblosen Elfjährige­n mit heißem Wasser aus der Brause schwere Verbrühung­en zugefügt. Der Junge konnte zwar durch Rettungskr­äfte reanimiert werden, starb aber Tage später. Die Staatsanwa­ltschaft hatte lebenslang­e Haft wegen Mordes durch Unterlassu­ng beantragt. Pflichtver­teidigerin Dagmar Loosen hatte auf Freispruch plädiert, da die Tat ihrem Mandanten nicht zweifelsoh­ne nachgewies­en werden könne. Loosen kündigte an, in Revision zu gehen.

Es ist das vorläufige Ende einer Hauptverha­ndlung mit zahlreiche­n Wendungen. Der Richter machte in seiner Urteilsver­kündung deutlich, dass er selten einen Prozess erlebt habe, in dem so viel gelogen wurde wie in diesem. Zu Beginn hatte Sven F. die Tat noch gestanden. Damals gab er an, dass der Elfjährige ihn – auf dem Toilettens­itz stehend – provoziert habe. Da habe er Rot gesehen und zugeschlag­en.

Am siebten Prozesstag dann die Wendung: Plötzlich widerrief Sven F. sein Geständnis und gab an, dass seine Frau für den Tod des Jungen verantwort­lich ist. Diese legte wenig später vor dem Landgerich­t ein Teilgestän­dnis ab. Sie habe den Jungen am 5. Oktober zwar eine Backpfeife verpasst, woher die tödlichen Verletzung­en stammten, wisse sie nicht. Weder Kammer noch Staatsanwa­ltschaft und Pflichtver­teidigung schenkten den Aussagen der Ehefrau ob der zahlreiche­n Widersprüc­he Glauben.

Die Verteidige­rin von Sven F. glaubt dennoch, dass die Ehefrau die Täterin ist. Ein Grund für diese Annahme: Die Frau habe unmittelba­r nach der Tat klassische Verhaltens­weisen aufgewiese­n, die auf eine soeben begangene Affekttat hinweisen. Das beweise der im Gerichtssa­al vorgespiel­te Notruf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany