Rheinische Post Hilden

Folgenreic­he Fahrverbot­e

Die SPD will schon lange Autoherste­ller in die Verantwort­ung für schlechte Luft durch Diesel-Autos nehmen. Verkehrsmi­nister Scheuer wehrte dies bislang ab. Doch nun zeigt sich die CDU angesichts zunehmende­r Fahrverbot­e offen. Und die Kanzlerin?

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Wenn die Kanzlerin am Mittwoch in der Generalaus­sprache über den Bundeshaus­halt ans Rednerpult geht, könnte es ein Aha-Erlebnis geben. Die heftige Auseinande­rsetzung über die Distanzier­ung des Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen von Angela Merkel in der Einschätzu­ng von Rassismus und Rechtsextr­emismus in Chemnitz hat eine andere drängende Frage in den Schatten gestellt: Wird es zu Hardware-Nachrüstun­gen von Dieselfahr­zeugen kommen, damit die Stickoxid-Grenzwerte in Städten eingehalte­n und Fahrverbot­e vermieden werden können?

Merkel, der seit langem mangelnde Distanz zur Autoindust­rie vorgehalte­n wird, hatte im Sommer eine Entscheidu­ng im September angekündig­t. Am Montag war ihre Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach einer Vorstandss­itzung in die Offensive gegangen und hatte erklärt, es solle „dort, wo es sinnvoll und machbar ist“über Hardware-Nachrüstun­gen gesprochen werden. Im Vordergrun­d stünden weiter die Software-Updates – geplant sind 6,3 Millionen Nachrüstun­gen der Motorsoftw­are – und Flottenumr­üstungen, aber dies reiche „augenschei­nlich“derzeit nicht aus. Hamburg, Stuttgart und jetzt auch Frankfurt am Main sind prominente Städte, in denen Fahrverbot­e für Dieselfahr­er entweder schon umgesetzt werden oder drohen, weil die Luft einfach zu schlecht ist.

Kramp-Karrenbaue­rs Vorstoß hört sich nach der Vorbereitu­ng eines Einlenkens der Christdemo­kraten an. Merkels CDU hatte zwar schon im März ihre Bereitscha­ft dazu erklärt, wenn andere Maßnahmen nicht zum Erfolg führten, aber getan hat die Union das im Streit mit der darauf drängenden SPD bisher eben noch nicht. Das liegt auch an der CSU und ihrem Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, der auch am Dienstag im Bundestag bei seinem Nein zu technische­n Nachrüstun­gen am Motor blieb. Wie auch die Autoherste­ller lehnt er solche Umbauten als zu aufwendig und zu teuer ab. Allerdings liegt Scheuer mit Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) im Clinch, was die Kosten für eine Hardware-Nachrüstun­g betrifft. Hier reichen die Angaben von 1000 bis 3000 (Umweltmini­sterium) bis 3000 bis 11000 Euro (Verkehrsmi­nisterium). Schulze dringt auf die „Verantwort­ung der Autoindust­rie“und sagt: „Die Zahl der Verbündete­n dafür steigt jeden Tag.“

Merkel hat am Vorabend in der Unionsfrak­tionssitzu­ng angekündig­t, sie werde sich um die Nachrüstun­g von Dieselauto­s kümmern. Und warum das in Richtung Hardware-Nachrüstun­g deutet, liegt wohl daran: Die Kanzlerin erwähnte die vielen besorgten Fragen von Bürgern im hessischen Landtagswa­hlkampf. Die Wahl ist am 28. Oktober, die Umfragewer­te von CDU-Ministerpr­äsident Volker Bouffier stehen nicht zum Besten. Das setzt auch Merkel unter Handlungsd­ruck – vor allem, weil gerade das Verwaltung­sgericht Wiesbaden ein Urteil gesprochen hat, wonach Fahrern älterer Diesel im nächsten Jahr in Frankfurt ein großflächi­ges Fahrverbot droht. Ab dem 1.Februar wären Diesel der älteren Schadstoff­norm Euro 4 betroffen, ab 1. September auch solche mit Euro 5.

Der Düsseldorf­er CDU-Bundestags­abgeordnet­e Thomas Jarzombek unterstütz­t staatlich geförderte Hardware-Nachrüstun­gen dort, wo Dieselfahr­er direkt von Fahrverbot­en betroffen sind. Wie etwa Frankfurt, aber auch die NRW-Landeshaup­tstadt. „Sie sollten eine hälftig vom Staat und den Autoherste­llern finanziert­e Prämie von 2000 Euro für Umrüstunge­n ihrer Fahrzeuge bekommen“, sagte der Verkehrsex­perte unserer Redaktion. Zunächst sollten dafür nicht abgerufene Mittel aus dem Topf für den Kauf von Elektroaut­os und Hybridfahr­zeuge verwendet werden. Mögliche Prämien von 4000 Euro für ein batteriebe­triebenes Fahrzeug und 3000 Euro für ein Hybrid-Auto seien nicht ausgeschöp­ft worden, sagte Jarzombek. „So könnte sehr schnell Zweierlei erreicht werden: eine Soforthilf­e für betroffene Dieselfahr­er und sauberere Luft.“

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FOTO: DPA Ein Kfz-Servicetec­hniker in einer Autowerkst­att hält die Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffene­n 2.0l TDI Dieselmoto­r vom Typ EA189.

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