Folgenreiche Fahrverbote
Die SPD will schon lange Autohersteller in die Verantwortung für schlechte Luft durch Diesel-Autos nehmen. Verkehrsminister Scheuer wehrte dies bislang ab. Doch nun zeigt sich die CDU angesichts zunehmender Fahrverbote offen. Und die Kanzlerin?
BERLIN Wenn die Kanzlerin am Mittwoch in der Generalaussprache über den Bundeshaushalt ans Rednerpult geht, könnte es ein Aha-Erlebnis geben. Die heftige Auseinandersetzung über die Distanzierung des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen von Angela Merkel in der Einschätzung von Rassismus und Rechtsextremismus in Chemnitz hat eine andere drängende Frage in den Schatten gestellt: Wird es zu Hardware-Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen kommen, damit die Stickoxid-Grenzwerte in Städten eingehalten und Fahrverbote vermieden werden können?
Merkel, der seit langem mangelnde Distanz zur Autoindustrie vorgehalten wird, hatte im Sommer eine Entscheidung im September angekündigt. Am Montag war ihre Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer Vorstandssitzung in die Offensive gegangen und hatte erklärt, es solle „dort, wo es sinnvoll und machbar ist“über Hardware-Nachrüstungen gesprochen werden. Im Vordergrund stünden weiter die Software-Updates – geplant sind 6,3 Millionen Nachrüstungen der Motorsoftware – und Flottenumrüstungen, aber dies reiche „augenscheinlich“derzeit nicht aus. Hamburg, Stuttgart und jetzt auch Frankfurt am Main sind prominente Städte, in denen Fahrverbote für Dieselfahrer entweder schon umgesetzt werden oder drohen, weil die Luft einfach zu schlecht ist.
Kramp-Karrenbauers Vorstoß hört sich nach der Vorbereitung eines Einlenkens der Christdemokraten an. Merkels CDU hatte zwar schon im März ihre Bereitschaft dazu erklärt, wenn andere Maßnahmen nicht zum Erfolg führten, aber getan hat die Union das im Streit mit der darauf drängenden SPD bisher eben noch nicht. Das liegt auch an der CSU und ihrem Verkehrsminister Andreas Scheuer, der auch am Dienstag im Bundestag bei seinem Nein zu technischen Nachrüstungen am Motor blieb. Wie auch die Autohersteller lehnt er solche Umbauten als zu aufwendig und zu teuer ab. Allerdings liegt Scheuer mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Clinch, was die Kosten für eine Hardware-Nachrüstung betrifft. Hier reichen die Angaben von 1000 bis 3000 (Umweltministerium) bis 3000 bis 11000 Euro (Verkehrsministerium). Schulze dringt auf die „Verantwortung der Autoindustrie“und sagt: „Die Zahl der Verbündeten dafür steigt jeden Tag.“
Merkel hat am Vorabend in der Unionsfraktionssitzung angekündigt, sie werde sich um die Nachrüstung von Dieselautos kümmern. Und warum das in Richtung Hardware-Nachrüstung deutet, liegt wohl daran: Die Kanzlerin erwähnte die vielen besorgten Fragen von Bürgern im hessischen Landtagswahlkampf. Die Wahl ist am 28. Oktober, die Umfragewerte von CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier stehen nicht zum Besten. Das setzt auch Merkel unter Handlungsdruck – vor allem, weil gerade das Verwaltungsgericht Wiesbaden ein Urteil gesprochen hat, wonach Fahrern älterer Diesel im nächsten Jahr in Frankfurt ein großflächiges Fahrverbot droht. Ab dem 1.Februar wären Diesel der älteren Schadstoffnorm Euro 4 betroffen, ab 1. September auch solche mit Euro 5.
Der Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek unterstützt staatlich geförderte Hardware-Nachrüstungen dort, wo Dieselfahrer direkt von Fahrverboten betroffen sind. Wie etwa Frankfurt, aber auch die NRW-Landeshauptstadt. „Sie sollten eine hälftig vom Staat und den Autoherstellern finanzierte Prämie von 2000 Euro für Umrüstungen ihrer Fahrzeuge bekommen“, sagte der Verkehrsexperte unserer Redaktion. Zunächst sollten dafür nicht abgerufene Mittel aus dem Topf für den Kauf von Elektroautos und Hybridfahrzeuge verwendet werden. Mögliche Prämien von 4000 Euro für ein batteriebetriebenes Fahrzeug und 3000 Euro für ein Hybrid-Auto seien nicht ausgeschöpft worden, sagte Jarzombek. „So könnte sehr schnell Zweierlei erreicht werden: eine Soforthilfe für betroffene Dieselfahrer und sauberere Luft.“