Zebrastreifen grau und grau
Der MSV Duisburg hat in der 2. Bundesliga einen Fehlstart hingelegt. Die Gründe dafür sind vielfältig.
DÜSSELDORF Die neue Zweitligasaison ist für den MSV Duisburg bisher eine Nullnummer – und zwar eine doppelte. Null Punkte und null Tore stehen für die Meidericher nach vier Spieltagen zu Buche. Damit findet sich der Klub wenig überraschend auf dem letzten Tabellenplatz wieder. Ein Zustand, der schon früh in der Saison die Alarmglocken schrillen lässt. Denn im zweiten Jahr nach dem Aufstieg zurück in die Dritte Liga abzurutschen, wäre der Super-Gau.
Die Gründe für den Fehlstart sind vielfältig. Darüber sprechen durfte nach dem jüngsten 0:1 gegen Greuther Fürth aber niemand – zumindest nicht öffentlich. Beim MSV gab es bis einschließlich Montag einen Maulkorb für alle Beteiligten. Was im Argen liegt, ist trotzdem schnell ausgemacht. Als erstes drängt sich die Frage nach der Moral der Mannschaft auf. In der vergangenen Saison traten die Duisburger als Neuling und Außenseiter noch als geschlossene Einheit auf, in der jeder bedingungslos alles gab. Diesen Mannschaftsgeist lassen die Spieler nun vermissen. Nach Gegentoren wartet man vergeblich auf ein kämpferisches Aufbäumen, die „Jetzt-erst-recht-Mentalität“fehlt.
Solch einen Teamgeist zu entwickeln, mag schwer fallen, wenn immer wieder andere Spieler zusammen auf dem Platz stehen. Besonders im Sturmzentrum war die Rotation zuletzt riesig. In den vier Ligaspielen war das Sturm-Duo jedes Mal anders zusammengesetzt. So konnten sich Richard Sukuta-Pasu, Borys Tashchy, Stanislav Iljutcenko und John Verhoek nicht auf einen Sturmpartner einstellen, und der Erfolg in Form von Toren blieb aus.
Doch nicht nur in der Offensive, auch in den anderen Mannschaftsteilen hakt es – obwohl es bis auf Torwart Mark Flekken keine namhaften Abgänge gab. Was durchweg auffällt: Es fehlt die Form. Die Schlüsselspieler kommen noch nicht an ihre Leistungen aus der vergangenen Saison heran. Dort traten Spieler wie Kapitän Kevin Wolze oder Ex-Bundesliga-Akteur Moritz Stoppelkamp noch ganz anders auf. Im März führten sie den MSV zwischenzeitlich sogar auf den vierten Rang, sodass schon vom möglichen Durchmarsch in die Bundesliga gesprochen wurde. Jetzt droht der Absturz in die Dritte Liga. Das wäre nicht nur sportlich ein Desaster. Fünf Jahre nach dem Lizenzentzug und der gerade noch abgewendeten Insolvenz hat der MSV immer noch hohe Schulden. Geschäftsführer Peter Mohnhaupt hatte 2017 schon keinen Hehl daraus gemacht, dass ein weiteres Jahr Dritte Liga „finanziell schwer realisierbar“wäre.
Doch Schuld an der Lage des MSV sind nicht nur taktische Fehler oder die falsche Einstellung, sondern auch einfach Verletzungspech. Gleich drei Stammspieler fallen aus. Defensivspezialist Enis Hajri hat Beschwerden im Sprunggelenk, und Mittelfeld-Strippenzieher Christian Gartner fällt wegen eines Kreuzbandrisses aus. Dazu fehlt vorne in Stürmer John Verhoek Gefahr im Angriff – er zog sich zuletzt gegen Greuther Fürth einen Haarriss an der Schulter zu.
Nach dieser vierten von vier Niederlagen haderte man beim MSV mit möglichen Lösungsansätzen. Obwohl man vom erklärten Ziel „Klassenerhalt plus“derzeit weit entfernt ist, gab es von den Verantwortlichen hauptsächlich Durchhalteparolen à la „Wir kommen da nur gemeinsam raus“(Sportdirektor Ivica Grlic). Deutlichere Worte fand Klub-Präsident Ingo Wald gegenüber der „Westdeutschen Allgemeine Zeitung“: „Ich erwarte eine Mannschaft auf dem Platz, die alles dran setzt für den Erfolg. Jeder Zuschauer muss sehen: Die Elf hat alles gegeben und noch zehn Prozent mehr.“Damit das gelingt, muss das Gruppengefühl gestärkt werden. Diese Herausforderung ist Coach Ilia Gruev auch schon angegangen. Aus einem angedachten Kurztrainingslager wurde zwar nichts, trotzdem sieht der Bulgare nach der Länderspielpause Fortschritte. „Das war eine sehr gute Zeit, weil wir sehr konzentriert gearbeitet haben“, sagte Gruev am Dienstag, und es gab auch erste Erfolgserlebnisse: Testspiel-Siege gegen den niederländischen Erstligist Heracles Almelo (1:0) und die eigene U19 (7:1).
Bei allem nötigen Wir-Gefühl sollte man es aber auch nicht übertreiben mit der Harmonie. Das findet zumindest Wald, der das Problem sieht, „dass wir keine klare Hierarchie in der Mannschaft haben. Alle fühlen sich gleichwertig, und jeder kann einen Stammplatz fordern.“Bedeutet: Wenn viele die Köpfe hängen lassen, muss es Führungsspieler geben, die voran gehen, Verantwortung übernehmen und das Team auch während eines Spiels wieder aufbauen. Rotation ist kein Tabu, aber ein harter Kern an Stammspielern muss der Mannschaft die nötige Sicherheit geben.
Wenn das alles nichts nützt, bleibt eigentlich nur noch eine Stellschraube, die für eine neue, erfolgreiche taktische Ausrichtung sorgen könnte: der Trainer. Es ist nicht Gruevs erste Krise als MSV-Coach. Schon in der dritten Liga und auch vergangene Saison konnte er das Ruder rechtzeitig wieder rum reißen. „Wir sind der Überzeugung, dass Ilia noch der richtige Mann ist“, sagte Wald nach der Pleite gegen Fürth. Die Betonung liegt dabei auf dem Wörtchen „noch“. Gruev muss jetzt liefern – und zwar nicht die nächste Nullnummer.