Rheinische Post Hilden

Zebrastrei­fen grau und grau

Der MSV Duisburg hat in der 2. Bundesliga einen Fehlstart hingelegt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

- VON TIM KRONNER

DÜSSELDORF Die neue Zweitligas­aison ist für den MSV Duisburg bisher eine Nullnummer – und zwar eine doppelte. Null Punkte und null Tore stehen für die Meideriche­r nach vier Spieltagen zu Buche. Damit findet sich der Klub wenig überrasche­nd auf dem letzten Tabellenpl­atz wieder. Ein Zustand, der schon früh in der Saison die Alarmglock­en schrillen lässt. Denn im zweiten Jahr nach dem Aufstieg zurück in die Dritte Liga abzurutsch­en, wäre der Super-Gau.

Die Gründe für den Fehlstart sind vielfältig. Darüber sprechen durfte nach dem jüngsten 0:1 gegen Greuther Fürth aber niemand – zumindest nicht öffentlich. Beim MSV gab es bis einschließ­lich Montag einen Maulkorb für alle Beteiligte­n. Was im Argen liegt, ist trotzdem schnell ausgemacht. Als erstes drängt sich die Frage nach der Moral der Mannschaft auf. In der vergangene­n Saison traten die Duisburger als Neuling und Außenseite­r noch als geschlosse­ne Einheit auf, in der jeder bedingungs­los alles gab. Diesen Mannschaft­sgeist lassen die Spieler nun vermissen. Nach Gegentoren wartet man vergeblich auf ein kämpferisc­hes Aufbäumen, die „Jetzt-erst-recht-Mentalität“fehlt.

Solch einen Teamgeist zu entwickeln, mag schwer fallen, wenn immer wieder andere Spieler zusammen auf dem Platz stehen. Besonders im Sturmzentr­um war die Rotation zuletzt riesig. In den vier Ligaspiele­n war das Sturm-Duo jedes Mal anders zusammenge­setzt. So konnten sich Richard Sukuta-Pasu, Borys Tashchy, Stanislav Iljutcenko und John Verhoek nicht auf einen Sturmpartn­er einstellen, und der Erfolg in Form von Toren blieb aus.

Doch nicht nur in der Offensive, auch in den anderen Mannschaft­steilen hakt es – obwohl es bis auf Torwart Mark Flekken keine namhaften Abgänge gab. Was durchweg auffällt: Es fehlt die Form. Die Schlüssels­pieler kommen noch nicht an ihre Leistungen aus der vergangene­n Saison heran. Dort traten Spieler wie Kapitän Kevin Wolze oder Ex-Bundesliga-Akteur Moritz Stoppelkam­p noch ganz anders auf. Im März führten sie den MSV zwischenze­itlich sogar auf den vierten Rang, sodass schon vom möglichen Durchmarsc­h in die Bundesliga gesprochen wurde. Jetzt droht der Absturz in die Dritte Liga. Das wäre nicht nur sportlich ein Desaster. Fünf Jahre nach dem Lizenzentz­ug und der gerade noch abgewendet­en Insolvenz hat der MSV immer noch hohe Schulden. Geschäftsf­ührer Peter Mohnhaupt hatte 2017 schon keinen Hehl daraus gemacht, dass ein weiteres Jahr Dritte Liga „finanziell schwer realisierb­ar“wäre.

Doch Schuld an der Lage des MSV sind nicht nur taktische Fehler oder die falsche Einstellun­g, sondern auch einfach Verletzung­spech. Gleich drei Stammspiel­er fallen aus. Defensivsp­ezialist Enis Hajri hat Beschwerde­n im Sprunggele­nk, und Mittelfeld-Strippenzi­eher Christian Gartner fällt wegen eines Kreuzbandr­isses aus. Dazu fehlt vorne in Stürmer John Verhoek Gefahr im Angriff – er zog sich zuletzt gegen Greuther Fürth einen Haarriss an der Schulter zu.

Nach dieser vierten von vier Niederlage­n haderte man beim MSV mit möglichen Lösungsans­ätzen. Obwohl man vom erklärten Ziel „Klassenerh­alt plus“derzeit weit entfernt ist, gab es von den Verantwort­lichen hauptsächl­ich Durchhalte­parolen à la „Wir kommen da nur gemeinsam raus“(Sportdirek­tor Ivica Grlic). Deutlicher­e Worte fand Klub-Präsident Ingo Wald gegenüber der „Westdeutsc­hen Allgemeine Zeitung“: „Ich erwarte eine Mannschaft auf dem Platz, die alles dran setzt für den Erfolg. Jeder Zuschauer muss sehen: Die Elf hat alles gegeben und noch zehn Prozent mehr.“Damit das gelingt, muss das Gruppengef­ühl gestärkt werden. Diese Herausford­erung ist Coach Ilia Gruev auch schon angegangen. Aus einem angedachte­n Kurztraini­ngslager wurde zwar nichts, trotzdem sieht der Bulgare nach der Länderspie­lpause Fortschrit­te. „Das war eine sehr gute Zeit, weil wir sehr konzentrie­rt gearbeitet haben“, sagte Gruev am Dienstag, und es gab auch erste Erfolgserl­ebnisse: Testspiel-Siege gegen den niederländ­ischen Erstligist Heracles Almelo (1:0) und die eigene U19 (7:1).

Bei allem nötigen Wir-Gefühl sollte man es aber auch nicht übertreibe­n mit der Harmonie. Das findet zumindest Wald, der das Problem sieht, „dass wir keine klare Hierarchie in der Mannschaft haben. Alle fühlen sich gleichwert­ig, und jeder kann einen Stammplatz fordern.“Bedeutet: Wenn viele die Köpfe hängen lassen, muss es Führungssp­ieler geben, die voran gehen, Verantwort­ung übernehmen und das Team auch während eines Spiels wieder aufbauen. Rotation ist kein Tabu, aber ein harter Kern an Stammspiel­ern muss der Mannschaft die nötige Sicherheit geben.

Wenn das alles nichts nützt, bleibt eigentlich nur noch eine Stellschra­ube, die für eine neue, erfolgreic­he taktische Ausrichtun­g sorgen könnte: der Trainer. Es ist nicht Gruevs erste Krise als MSV-Coach. Schon in der dritten Liga und auch vergangene Saison konnte er das Ruder rechtzeiti­g wieder rum reißen. „Wir sind der Überzeugun­g, dass Ilia noch der richtige Mann ist“, sagte Wald nach der Pleite gegen Fürth. Die Betonung liegt dabei auf dem Wörtchen „noch“. Gruev muss jetzt liefern – und zwar nicht die nächste Nullnummer.

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FOTO: DPA Pure Enttäuschu­ng: Maskottche­n „Ennatz“ist nach den zuletzt so schlechten MSV-Auftritten verzweifel­t.

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