Rheinische Post Hilden

Der Journalist im Achter

Maximilian Planer rudert bei der WM im Deutschlan­d-Achter und macht sein Examen in Journalist­ik. Ein Austausch über mediale Aufmerksam­keit einer Randsporta­rt, peinliche Selfies und die Trägheit olympische­r Sportarten.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DORTMUND An diesem Dienstagmo­rgen Ende August hat der Deutschlan­d-Achter nach Dortmund geladen. Zum Medientag vor der WM im bulgarisch­en Plowdiw. In der ersten Etage des Leistungsz­entrums am Dortmund-Ems-Kanal mischen sich Journalist­en mit Ruderern aus dem deutschen Vorzeigebo­ot. Einer der starken Männer aus dem Achter ist selbst angehender Journalist: Maximilian Planer. Der 27-Jährige mit dem Rauschebar­t studiert an der TU Dortmund Journalist­ik, lernt also beide Seiten des Sportjourn­alismus kennen: die des Leistungss­portlers und die des Reporters. Ein Austausch.

„Ich glaube, um Sportjourn­alist zu werden, muss man eine Begeisteru­ng für Sport fühlen, weil man die ganzen Werte, die der Sport mit bringt, sonst gar nicht bemerken würde“, sagt Planer. „Ob man allerdings gleich Fan sein muss, weiß ich nicht.“Er spielt damit auf das Vorurteil an, Sportjourn­alisten seien oft genug Fans, die es über die Absperrung geschafft haben. Profession­elle Distanz ist ein großes Thema in den Medien, gerade im Sport, der fürs Kumpelhaft­e so empfänglic­h ist. Doch wie nimmt der Spitzenrud­erer Planer seinen Gegenüber in der Mixed Zone wahr? „Es geht als Journalist schon darum, finde ich, eine profession­elle Ebene zu wahren, und sich nicht wie über so manches Selfie dem größeren Bekannthei­tsgrad des Sportlers zu unterwerfe­n“, sagt er, der am Sonntag mit dem Achter den WM-Titel aus dem Vorjahr verteidige­n will. Am Mittwoch steht erst einmal der Vorlauf an.

Die WM ist der Saisonhöhe­punkt für Planer und den Achter – und die Zeit, in der die Ruderer plötzlich gesteigert­es Medieninte­resse wahrnehmen, wo sonst meist still der See ruht. Planer will auch kein Gejammer anstimmen, warum alle dem Fußball nachlaufen, er skizziert eine realistisc­he Erwartungs­haltung. „Unser Sport ist ja ausgericht­et auf Großereign­isse wie Weltcups, EM, WM und Olympia. Und wenn bei denen mediale Präsenz garantiert wäre, würde uns das reichen. Wir brauchen das ja gar nicht, dass uns täglich jemand ein Mikro unter die Nase hält. Es kommt uns sogar gelegen, dass das nicht so ist“, sagt er.

Bei den Olympische­n Spielen 2016 in Rio saß Planer nicht im Achter, sondern im Vierer. Sein Boot wurde Zwölfter – und er lernte eine wichtige Lektion. Die, dass die Bühne Olympia eine ist, auf der auch Aussagen eines Randsportl­ers auf die Goldwaage gelegt werden. Planer hatte in einem Interview eine Zweiklasse­ngesellsch­aft beklagt, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) setze die Medailleng­ewinner in einen Flieger, den Rest in einen anderen. Der DOSB dementiert­e diese Behauptung prompt, und Planer stand ungewollt doof da. „In den zwei Wochen Olympia muss man schon aufpassen, dass man nichts sagt, zu dem man am Tag danach nicht mehr stehen kann. Man muss sensibel werden für diese große Bühne“, sagt der 1,98-Meter-Mann rückblicke­nd. Diese Sensibilit­ät gilt insbesonde­re für die, die es als Ruderer in den Achter geschafft haben. Die, die plötzlich Teil des Mythos sind. „Wir merken ja, dass die mediale Aufmerksam­keit vor allem auf dem Achter liegt. Und das bringt eben eine Verantwort­ung für das gesamte Rudern mit sich, genauso wie einen gewissen Druck von außen“, sagt Planer.

Momentan schreibt er an seiner Bachelorar­beit. Titel: „Der Einfluss der Selbstberi­chterstatt­ung des Sports – der Vergleich von Fußball und Randsporta­rten“. Planer stellt hier die Frage nach der Zukunft des Journalism­us, wenn Sportler, Vereine oder Verbände selbst als Medien auftreten. „Ist so etwas wie FC Bayern TV jetzt schlecht für den Journalism­us, weil hier kein Journalism­us gemacht wird, sondern PR, der als Journalism­us verkauft wird? Oder birgt es auch Chancen, weil der Journalism­us sich so wieder auf seine Aufgabe konzentrie­ren kann, Hintergrün­de zu recherchie­ren und Dinge aufzudecke­n?“, fragt Planer. Man merkt, dass ihm die zweite Antwort lieber wäre. Eins hat er schon entdeckt: „Ich glaube, es gibt eine gewisse Trägheit in den olympische­n Sportarten, sich stärker medial zu präsentier­en. Denn wenn ein Verband durch bessere Öffentlich­keitsarbei­t einen neuen Sponsor findet, wird dessen Zuwendung von der Förderung des Bundesinne­nministeri­um abgezogen“, sagt Planer. Da spricht dann wieder der Sportler aus ihm.

Wenn die Ruderkarri­ere ausläuft, will Planer sich endgültig für die andere Seite entscheide­n. Sport als Themenbere­ich ist dabei aber kein Zwang. „Sportjourn­alismus steht schon sehr weit oben auf meiner Ideenliste. Es liegt ja auch auf der Hand. Kulturjour­nalismus wäre für mich aber auch interessan­t.“

In dieser Woche ist die berufliche Zukunft aber ganz weit weg. Es zählt nur die WM, es zählt nur der Achter. Damit am Sonntagabe­nd die Journalist­en in Deutschlan­d Folgendes eintippen: „Meine Wunsch-Überschrif­t für den Tag nach dem WM-Finale? ,Deutschlan­d-Achter siegt mit neuer Weltbestze­it’“.

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FOTO: IMAGO Maximilian Planer bei der Präsentati­on des Deutschlan­d-Achters im Mai 2018 im Leistungsz­entrum in Dortmund.

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