Rheinische Post Hilden

Streit um Reform des Ganztags

Wohlfahrts­verbände und Landesregi­erung treffen sich in der kommenden Woche. Die Positionen liegen bei Fragen der Finanzieru­ng und verbindlic­her Standards weit auseinande­r.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Gut zehn Jahre nach Einführung der Ganztagsbe­treuung an Grundschul­en in NRW lässt die Qualität vielerorts zu wünschen übrig. „Es gibt in dem Bereich keine verbindlic­hen Qualitätss­tandards“, sagte Helga Siemens-Weibring, Beauftragt­e für Sozialpoli­tik beim Diakonisch­en Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, einem der Träger Offener Ganztagssc­hulen (OGS) in NRW. Kinder würden nach der Schule teilweise in viel zu kleinen Räumen betreut, manchmal sogar im Keller. Nicht selten sei ein Betreuer, bei dem es sich nicht einmal um eine Fachkraft handeln müsse, für mehr als 25 Schüler zuständig.

In NRW besuchen einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge 44,1 Prozent der Grundschül­er den offenen Ganztag. Das Land liegt damit beim Ganztagsan­gebot bundesweit an siebter Stelle. Das Angebot variiert jedoch von Kommune zu Kommune stark. Während einige Schulen neben der Hausaufgab­enbetreuun­g Nachmittag­sbeschäfti­gungen anbieten, ist dies andernorts kaum der Fall. Auch bei den Elternbeit­rägen gibt es große Unterschie­de, sie reichen bei einem Brutto-Jahreseink­ommen von gut 43.000 Euro von monatlich 18 Euro in Olfen bis 140 Euro in Bad Münstereif­el. In der Mitte liegt beispielsw­eise Neuss mit 90 Euro.

In Spitzenges­prächen wollen die Landesregi­erung und die Wohlfahrts­verbände von der kommenden Woche an über eine bessere finanziell­e und qualitativ­e Ausstattun­g der Ganztagsbe­treuung beraten. Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP): „Die offene Ganztagssc­hule leistet einen unverzicht­baren Beitrag zu einer besseren Vereinbark­eit von Familie und Beruf.“Auch Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) betonte die Bedeutung der OGS: „Wir brauchen in NRW mehr und qualitativ gestärkte OGS-Angebote.“

Doch die Positionen liegen nach Informatio­nen unserer Redaktion vor dem geplanten Spitzenges­präch weit auseinande­r. „Die vorgesehen­en Mittel des Landes reichen bei Weitem nicht aus, um die bereits bestehende­n Lücken in der jetzigen Finanzieru­ng zu decken und darüber hinaus auch zukünftig die notwendige gute Qualität für alle Kinder bieten zu können, egal an welchem Ort sie sich in NRW befinden“, sagte Siemens-Weibring, die an den Gesprächen teilnimmt. Notwendig sei nach dem Vorbild des Kita-Gesetzes ein OGS-Gesetz, um eine ausreichen­de Finanzieru­ng sicherzust­ellen.

Auch müsse es einen Personalsc­hlüssel pro Gruppe geben und die Vorgabe, dass pädagogisc­h ausgebilde­tes Personal zum Einsatz kommt. Ein verbindlic­hes Raumkonzep­t müsse garantiere­n, dass die OGS-Schüler etwa auch Turnhallen nutzen können. Die Gruppengrö­ße dürfe 25 nicht überschrei­ten.

Bisher erhalten die Kommunen eine OGS-Pauschale vom Land, die in den vergangene­n zwei Jahren um sechs Prozent erhöht wurde. Sie liegt den Wohlfahrts­verbänden zufolge bei rund 813 Euro pro Kind pro Schuljahr plus 0,2 Lehrerstel­len pro 25 Kinder. Die Kommunen ihrerseits müssen den Wohlfahrts­verbänden zufolge einen Pflichtbei­trag beisteuern, den sie aufstocken können. Dieser Mindestbet­rag liegt demnach bei rund 475 Euro pro Kind pro Schuljahr, die meisten Kommunen gäben aber mehr. Die Qualität des Ganztags hängt damit auch stark von der Finanzlage der Kommunen ab. Die Landesregi­erung wollte sich zu Inhalten nicht äußern und verwies auf die noch laufenden Gespräche.

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