Rheinische Post Hilden

Kleine Igel in großer Not

Der trockene Sommer macht Igeln zu schaffen: Muttertier­e haben zu wenig Milch, in den Aufzuchtst­ationen finden sich viele verwaiste oder schlecht ernährte Jungtiere. Übereifrig sollte man aber keine Igel aus der Natur nehmen.

- VON MARTINA STÖCKER

WUPPERTAL In der Aufzuchtst­ation des „Netzwerk Igel e.V.“in Wuppertal rappelt es schon in fast jedem Karton. Weit über 100 Igel sind bereits abgegeben worden. In den Kisten, mit Zeitungspa­pier ausgelegt, sitzen viele Igelmütter mit Nachwuchs oder verlassene Jungtiere. „Durch den Extremsomm­er mit wenig Regen und harten Böden haben viele Muttertier­e zu wenig oder gar keine Milch“, sagt Leiterin Monika Thomas. Und so haben Thomas und ihre Mitarbeite­r Waisen und schlecht genährte Jungtiere zu versorgen, die weit unter 100 Gramm wiegen und zum Teil nur so groß sind wie eine kleine Mandarine. Die Igelchen bekommen Welpen- oder Katzenaufz­uchtmilch. „In diesem Jahr sind es viel mehr Jungtiere als sonst“, betont Monika Thomas.

Und die Zeit der Igel-Aufzucht ist noch nicht vorbei – selbst im September bekommen Igel Nachwuchs. Zum Glück hat es nun doch häufiger geregnet, der Boden ist wieder weicher. Die Igelmütter sind nachts auf Nahrungssu­che und tagsüber mit dem Nachwuchs im Nest, um ihn zu säugen. Wer bei der Gartenarbe­it ein Nest mit Jungtieren findet, sollte es wieder zudecken und die Tiere nicht anfassen. Da Igel Wildtiere sind, dürfen sie nicht aus der Natur genommen werden.

Eine Ausnahme sind kranke, geschwächt­e oder verletzte Tiere. Sind Igel tagsüber unterwegs, sollte man einen prüfenden Blick auf sie werfen, auch Igeljunge ohne Mutter sind in der Regel hilfsbedür­ftig. „Man sollte aber erst einmal abwarten und beobachten“, rät Thomas. Oft kehrt die Mutter auch zum Nachwuchs zurück. Wichtig ist, wenn möglich, unterernäh­rte Jungtiere mitsamt ihrer Mutter zu fangen. Übereifrig sollte man jedoch nicht handeln, denn das schadet den Tieren langfristi­g. „Igel, die drinnen überwinter­n, haben im Frühjahr große Anpassungs­schwierigk­eiten in der Natur“, sagt Birgit Königs, Sprecherin des Nabu NRW. Flaschen-Aufzuchten können in der Regel sogar nur in eine geschützte Umgebung entlassen werden. Wer einen Igel in Not findet, sollte ihn aber zu einer Aufzuchtst­ation oder zu einem Tierarzt bringen.

Trotz des Engagement­s wird es in diesem Jahr bei den Igel-Jungtieren große Verluste geben, stellt Königs fest. Der Fortbestan­d der Art sei zwar nicht gefährdet, doch die Population eh schon arg unter Druck. Denn die Zersiedelu­ng der Landschaft, aufgeräumt­e und mit Zäunen abgetrennt­e Gärten erschweren die Nahrungssu­che. Durch den trockenen Sommer habe es schlicht weniger Futter gegeben, so hätten sich zum Beispiel Käferlarve­n und Würmer, sonst wichtiger Posten auf dem Speisezett­el, tief in die Erde zurückgezo­gen. Vielen Igeln und ihrem Nachwuchs wird es schwerfall­en, sich noch genügend Winterspec­k anzufresse­n. Die Igel-Retter empfehlen deshalb, die Tiere zu unterstütz­en, indem man ihnen abends Katzenfutt­er und Wasser hinstellt.

Die Wuppertale­r päppeln den Nachwuchs auf und pflegen verletzte Igel. Geschwächt­e Tiere sind anfällig für Parasiten, so werden alle Körperöffn­ungen gespült und gereinigt, um zum Beispiel Eier und Larven von Fliegen zu beseitigen.

Unter dem extremen Sommer haben fast alle Tierarten gelitten. „Viele kleine Säuger werden weniger Nachwuchs haben“, sagt Königs. Auch den Eichhörnch­en fällt es schwer, einen Vorrat für den Winter anzulegen. Von Aufrufen, Nüsse zu sammeln und für die Tiere auszulegen, hält sie wenig. „Man sollte stattdesse­n in diesem Jahr alle Nüsse für die Tiere liegen lassen.“

Das Problem ist jedoch nicht die Menge der Nussausbeu­te, sondern deren Qualität. „Viele Nüsse sind innen hohl, weil kein Kern ausgebilde­t wurde“, erklärt die Expertin. Die Eichhörnch­en vergraben deshalb viele hohle Nüsse in ihren Verstecken für den Winter. Von denen finden sie eh nicht alle wieder, aber wenn sie mehrere Tage hintereina­nder hohle Nüsse finden, bekommen die Eichhörnch­en große Probleme. Birgit Königs empfiehlt deshalb, jetzt schon Nüsse mit Schale für die Tiere auszulegen. „Das hilft natürlich nur denjenigen, die in der Nähe der Menschen leben.“Im Wald sind die Eichhörnch­en, die auch Bucheckern, Eicheln und Walnüsse fressen, auf sich allein gestellt. „Das gehört aber zur Natur“, betont Königs. In der Regel werden in den nächsten Jahren die Population­en wieder ausgeglich­en.

Die Igel, die Ende September 500 Gramm wiegen, werden die Hilfsstati­on in Wuppertal noch vor dem Winter wieder verlassen. Wer etwas für sie und ihre Artgenosse­n tun will, räumt seinen Garten nicht leer von Blättern und Gestrüpp und lässt Schlupflöc­her in Zäunen.

Dann kann sich der Igel wohlfühlen.

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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Dieser kleine Igel wird in der Wuppertale­r Schutzstat­ion mit viel Liebe aufgepäppe­lt.
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Monika Thomas befreit die Tiere mit einer Lösung von Parasiten.
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Der Kleine ist erst wenige Tage alt und wird per Hand aufgezogen.

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