EU weist Google in die Schranken
Das EU-Parlament hat nach jahrelangen Debatten am Mittwoch in Straßburg die Reform des Urheberrechts beschlossen. Mit ihr soll künftig geistiges Eigentum im Internet besser geschützt und gegebenenfalls auch entlohnt werden.
STRASSBURG reichlich Stimmung gemacht. Als Schreckgespenst aber dient es nicht. Denn Einzelpersonen dürfen auch weiterhin Texte und Videos verlinken.
Der zweite Zankapfel sind die ominösen „Upload-Filter“. Das ist eine Software, mit der Internet-Plattformen bereits beim Hochladen von Bildern, Videos, Musik und Texten überprüfen können, ob die Beiträge urheberrechtlich geschützt sind und der Genehmigung bedürfen. Das sei vor allem das Ende kleinerer Plattformen, die sich ein solches Verfahren nicht leisten können, hieß es. Für diese Firmen gibt es jedoch in der überarbeiteten Fassung zahlreiche Ausnahmen. Ohnehin soll auf die Filter möglichst verzichtet werden, vielmehr sollen große Plattformen eigenverantwortlich mit Uploads umgehen und dafür dann aber auch die Haftung tragen. Die vorgeschlagene Abschaffung der Filter könnte auf diesem Wege ihre freiwillige Einführung sein. Denn es spricht viel dafür, dass Plattformen auf die ungeliebten Upload-Filter
jetzt zurückgreifen werden, um keine Rechte zu verletzen.
Ein rabenschwarzer Tag für die Wissens- und Informationsfreiheit? Nein, es ist nicht einmal ein grauer geworden. Zumal freie Nachweislinks aus Wikipedia davon weiter unberührt bleiben wie das Zitaterecht. Neben Autoren, Musikern und Künstlern begrüßten auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Entscheidung aus Straßburg. Von dem neuen Recht würden „alle Inhaber urheberrechtlich geschützten Eigentums und alle Menschen in Europa profitieren“, hieß es.
Das sind vielleicht pathetische, im Kern ihrer Aussage aber sehr richtige Worte. Man könnte den Nutzen sogar noch weiter fassen: Auch die Betreiber der Plattformen sind Profiteure der neuen Regelung. Denn schließlich geht es um den Schutz der Quellen geistigen Eigentums und kreativer Arbeit; es geht um die Herkunft und Entstehung von Inhalten, gerne auch content genannt. Ohne sie wären viele Plattformen kaum mehr als eine Hülle.
Grundsätzlich wird damit auch ein Wert in den Blick genommen, den viele durch die oft freie Verfügbarkeit vieler Inhalte aus den Augen verloren haben: die Wertschätzung geistiger Arbeit sowie die Wertschätzung von Qualität. Guten – und das heißt auch verlässlichen – Inhalten gehen stets Investitionen voraus: an Arbeit und Mühen, Sorgfalt, Wissen und Können.
Das hört sich vielleicht nach Sieg und Niederlage an; aber beides stimmt nicht. Denn alle sind aufeinander angewiesen. Die Plattformen, die mit guten Inhalten ihr Angebot speisen, wie auch die Kreativen, die natürlich vom Internet profitieren und die grenzenlose Verbreitung ihrer Werke anstreben. Der Urheber aber braucht Sicherheit für seine Arbeit, nicht nur eine ideelle, sondern auch eine materielle. Mit der Entscheidung des EU-Parlaments wurden Spielregeln einer neuen Kooperation aufgestellt, möglicherweise wird mit ihr auch ein Lernprozess angestoßen: dass wir beginnen, kreative Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes wertzuschätzen. Das neue Recht ist kein Angriff auf die so lauthals beschworene Internetfreiheit. Diese Freiheit wird zu oft verwechselt mit einer Gratiskultur. Frei hingegen muss der Geist sein. Seine Produkte sollten uns etwas wert sein.