Rheinische Post Hilden

Berliner Schaubühne muss Tournee in China abbrechen

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PEKING (dpa) Nachdem ihr Stück „Ein Volksfeind“in China heftige Debatten ausgelöst hat, muss die Berliner Schaubühne ihre Tournee in der Volksrepub­lik vorzeitig beenden. Tobias Veit, Direktor der Schaubühne, sagte am Mittwoch, dass die übrigen zwei Vorstellun­gen in der ostchinesi­schen Stadt Nanjing nicht stattfinde­n werden, weil das dortige Theater eine Absage erteilt habe. Als offizielle Begründung wurden „technische Probleme“angegeben. Die Berliner gehen jedoch davon aus, dass Zensur der eigentlich­e Grund für das vorzeitige Ende der Tournee ist. Erste Einschränk­ungen musste die Schauspiel­er schon nach ihrer ersten Vorführung in Peking vergangene Woche hinnehmen.

„Ein Volksfeind“von Henrik Ibsen handelt von Korruption in einer Kleinstadt, in der die Obrigkeit einen Umweltskan­dal vor seinen Bürgern vertuschen will. Wie auch bei früheren Aufführung­en öffnete sich bei der China-Premiere in Peking zum Ende der Inszenieru­ng die Diskussion zu den Zuschauern. Ein Teil der Gäste habe dabei offen über mangelnde Meinungsfr­eiheit, Umweltskan­dale und staatliche Repression in China gesprochen. Es habe soviel Kritik gegeben, dass nicht mal der Übersetzer im Saal noch hinterherk­am. Auch in den sozialen Netzwerken setzte sich die Debatte nach dem Auftritt fort.

Die Folge: Die zweite und dritte Aufführung durfte die Schaubühne nach Diskussion­en mit der Pekinger Theaterlei­tung nur noch ohne Publikums-Diskussion am Ende spielen. Die beiden letzten Vorstellun­gen, die nun komplett ausfallen, waren in Nanjing geplant.

Die Bühne tourt mit „Ein Volksfeind“seit seiner Premiere 2012 um die Welt. Die Publikumsr­eaktionen seien oft ein Spiegel der jeweiligen politische­n Situation des Landes und der drängendst­en Fragen vor Ort. Um kritische Stimmen zu unterdrück­en, werden chinesisch­e Medien und das Internet streng von den Zensoren des Landes überwacht. Viele internatio­nale Medien wie die „New York Times“und ausländisc­he soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sind komplett gesperrt. Auch ausländisc­he Theaterstü­cke oder Kinofilme werden vor ihrem Start in China von den Behörden geprüft.

Vor diesem Hintergrun­d sah Veit die plötzliche Absage in Nanjing mit gemischten Gefühlen. Es sei einerseits zwar „wahnsinnig frustriere­nd“. Aber dass mit einem so kritischen Stück in China überhaupt drei Aufführung­en möglich waren, sei zugleich auch „unglaublic­h“.

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