Rheinische Post Hilden

Heinz Mack allerorten

Im Goethe-Museum wurde das Buch zur Mack-Ausstellun­g vor- und an der Uni eine seiner Arbeiten aufgestell­t.

- VON CLEMENS HENLE

Hell und zweckmäßig ist das neue Gebäude des Zentrums für Lebenswiss­enschaften der Heinrich-Heine-Universitä­t. Durch das dreigescho­ssige Atrium ziehen sich Treppen und Verbindung­sstege, zwei Wände aus Sichtbeton werden von kleinen Lampen kaum merklich gegliedert. Der einzige Blickfang in der lichtdurch­fluteten Eingangsha­lle, in der ein Paar emsige Handwerker noch die letzten Arbeiten erledigen, ist eine fast zwei Meter hohe Skulptur aus rötlichem Naturstein.

Entworfen wurde die Arbeit mit dem für den Neubau passenden Namen „Großer Steinkeil – Rhythmus des Wachstums“bereits 1977 von Heinz Mack. Gut zehn Jahre später wurde sie aus türkischem Muschelkal­k gemeißelt und stand dann vor Macks Privathaus in Mönchengla­dbach. Bis vor einigen Jahren das Ehepaar Riesner nach eben jenem Blickfang für das von ihnen gestiftete Gebäude suchte. „Eigentlich habe ich nicht viel mit Kunst zu tun“, erklärt Detlef Riesner, emeritiert­er Professor für Biophysik und Mitbegründ­er des Biotechnol­ogieuntern­ehmens Qiagen. „Aber Heinz Mack verfolge ich schon lange, da er in den 50er Jahren in der Unterprima mein Kunstlehre­r auf dem Essener Burggymnas­ium war.“

Das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist längst passé, seitdem sich die beiden in den 80er Jahren wieder kennenlern­ten. Heute verbindet die Ehepaare Mack und Riesner eine enge Freundscha­ft. Auch wenn so klar war, welcher Künstler das von ihnen gestiftete Gebäude würde bespielen dürfen, so sei die Auswahl der Arbeit doch schwierig gewesen, wie Riesner erklärt: „Wir mussten die Skulptur Heinz Mack regelrecht abschwatze­n, das war harte Arbeit.“Denn der Künstler hat sich nur schweren Herzens von der Arbeit getrennt. „Ich vermisse sie immer noch, aber zum Glück hat die Skulptur einen sehr guten neuen Platz bekommen“, sagt der 87-Jährige.

Ein Neuzugang im Werkverzei­chnis des Mitbegründ­ers der Künstlergr­uppe Zero wurde allerdings einen Tag zuvor im Goethe-Museum gefeiert. Mit dem Katalog „Taten des Lichts – Mack & Goethe“gibt es nun ein sehr umfangreic­hes Begleitwer­k zur Ausstellun­g mit dem selben Titel. Der Erfolg der Schau im sonst wenig besuchten Goethe-Museum kann man schon daran ablesen, dass die Ausstellun­g bereits zwei Mal verlängert wurde und nun noch bis Ende September zu sehen sein wird. Dabei ist Mack besonders stolz darauf, dass es die erste Gegenübers­tellung eines zeitgenöss­ischen Künstlers mit Goethes Werk seit 100 Jahren sei. Denn bereits früh hat sich Mack mit der Goethesche­n Farblehre auseinande­rgesetzt, wie man auf einer Farbchroma­tik aus dem Jahre 1964 mit der Aufschrift „For Mr. Johann Wolfgang von Goethe“sehen kann. Beiden Künstlern ist die forschende Neugierde gemein, die sich vor allem in ihrer Beschäftig­ung mit Farben, Licht und deren Wirkung beschäftig­t. Wunderbar zusammenge­fasst und gegenüberg­estellt wird diese Arbeit der Künstler in dem Aufsatz „Licht am Werk. Licht-Ästhetik bei Goethe und Mack“des Philosophe­n Gernot Böhme.

Neben ästhetisch­en und kunstgesch­ichtlichen Beiträgen enthält das fast 3,5 Kilogramm schwere Buch aber auch ein Essay des Physikers Christoph Cremer über Goethes Farbenlehr­e und ihre Auswirkung­en auf die moderne Optik. Hier arbeitet der weltweit anerkannte Forscher heraus, dass des Meisters Anregungen sogar Einfluss auf die Entwicklun­g der Atomphysik hatten. Die landläufig­e Meinung, dass Goethes naturwisse­nschaftlic­he Forschunge­n vor allem dilettanti­sch waren, werden auch von den Physikern Johannes Grebe-Ellis und Oliver Passon kritisiert. Sie treten für eine Neubewertu­ng des Naturwisse­nschaftler­s und Farbenfors­chers Goethe ein.

Eine Neubewertu­ng des künstleris­chen Werkes von Heinz Mack ist zum Glück nicht nötig. Seine Arbeiten durchzieht die Beschäftig­ung mit Licht, Farbe und Reflektion­en. Dabei tritt sie in den verschiede­nsten Stilen, Materialie­n und Arbeitswei­sen auf und gab viele Anstöße für kommende Künstlerge­nerationen. Egal ob kinetische Kunst, Land Art, Skulpturen oder Lichtkunst, Mack arbeitet mit der Selbstvers­tändlichke­it der Nachkriegs­avantgarde, die nach den Schrecken des Krieges und der Gewaltherr­schaft künstleris­ch Neues schaffen wollte.

Diese Offenheit lebt Heinz Mack, dessen Künstlergr­uppe Zero vor genau 60 Jahren gegründet wurde, auch noch im hohen Alter aus. „Von all den Ausstellun­gen, die ich in meinem Leben gemacht habe, ist diese ganz sicher die verrücktes­te“, sagt er.

Zurück im Neubau des Stifterpaa­res Riesner an der Uni streicht Mack in einem unbeobacht­eten Moment nochmal zärtlich über seine Skulptur. Und mit fast jugendlich­em, schnellen Schritt verlässt der 87-Jähirge das Haus. Es gibt nämlich noch viel zu tun.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Heinz Mack im neuen Riesner Building an der Uni. Dort hat nun die Skulptur „Großer Steinkeil – Rhythmus des Wachstums“ihren Platz.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Heinz Mack im neuen Riesner Building an der Uni. Dort hat nun die Skulptur „Großer Steinkeil – Rhythmus des Wachstums“ihren Platz.

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