Gutachterin fordert Wandel beim WDR
Die Ex-Gewerkschaftssekretärin hat untersucht, wie der WDR mit den Vorwürfen sexueller Belästigung umgeht.
BONN „Mut“war vielleicht der zentrale Begriff in den Ausführungen von Monika Wulf-Mathies und WDR-Intendant Tom Buhrow. Die ehemalige Gewerkschafterin, SPD-Politikerin und EU-Kommissarin war von der Rundfunkanstalt beauftragt worden, zu begutachten, wie der Sender mit Hinweisen auf sexuelle Belästigung in den eigenen Reihen umgegangen ist. Die Ergebnisse dieser Prüfung stellte Wulf-Mathies im Wissenschaftszentrum Bonn vor.
Tom Buhrow dankte den rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit denen Wulf-Mathies über vier Monate hinweg Gespräche geführt hatte, für ihren Mut. Die Prüferin bescheinigte dem WDR Mut dafür, dass er ihr bei der Prüfung Einsicht in alle Akten gegeben und so Transparenz gesichert hätte. Buhrow fordert nun Mut auf allen Führungsebenen, seine Botschaft umzusetzen, dass sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch nicht geduldet würden.
Die Ergebnisse sind struktureller Natur, von Einzelfällen steht nichts im Bericht. Buhrow wollte sich auch auf Nachfrage nicht zu Personalien seiner Medienanstalt äußern. Die meisten Fälle – Buhrow beziffert sie auf etwa ein Dutzend – lägen viele Jahre zurück.
Wulf-Mathies berichtete, dass besonders in den Fällen vor der „MeToo“-Debatte zu wenig vom WDR getan worden sei. Sie gab jedoch auch zu bedenken, dass die Sensibilität damals eine andere gewesen sei. „Alltagssexismus und Männerwitze galten damals eher als normal.“Bis 2015 habe es kein geregeltes Verfahren zum Umgang mit derartigen Beschwerden gegeben. Erst seitdem existiert die „Dienstvereinbarung zum Schutz vor sexueller Belästigung“. Allerdings blieb die Aufklärung auch in den vergangenen drei Jahren eher lückenhaft. Wenn Betroffene sich nur anonym äußern wollten, habe das Konsequenzen schwerer gemacht.
Von einem Lerneffekt spricht Wulf-Mathies seit dem Bekanntwerden der Vorfälle. Der WDR habe eine „intensive Auseinandersetzung“betrieben und „beträchtliche Anstrengungen“unternommen. Zwei Anwaltsbüros seien als externe Anlaufstellen benannt worden. Diese wurden laut Wulf-Mathies auch viel in Anspruch genommen. Es kam zudem in verschiedenen Fällen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu Kündigungen.
Bei ihrer Prüfung stellte sie allerdings fest, dass sexuelle Belästigung nur die „Spitze des Eisbergs“sei. Es sei auch zu andersartigem Machtmissbrauch gekommen, häufig von Vorgesetzten gegenüber Praktikantinnen, Studentinnen, freien Mitarbeiterinnen und Schauspielerinnen.
An den WDR hätten sich Betroffene nur selten direkt gewandt. Im Bericht ist von „Unzufriedenheit im Betriebsklima“die Rede.
Monika Wulf-Mathies fordert im WDR einen Kulturwandel. Die Verbesserung des Betriebsklimas sei Chefsache, das Unternehmen müsse Menschenführung und Mitarbeitermotivation verbessern. Sie regt an, eine neue Dienstvereinbarung auszuarbeiten. Laut Buhrow sei dies mit dem Personalrat schon geschehen. Außerdem soll eine „Clearing-Stelle“eingerichtet werden. Dort sollen die Anliegen von Betroffenen gesammelt und dann an die richtigen Stellen geleitet werden.