Rheinische Post Hilden

Bayer 04 ist weiter im Urlaubsmod­us

Beim 1:3 der Werkself in München offenbart Bayer Leverkusen eklatante Schwächen in allen Mannschaft­steilen.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

MÜNCHEN Keine sieben Minuten stand Karim Bellarabi auf dem Platz, da war der Arbeitstag für den ehemaligen Nationalsp­ieler schon wieder beendet. Nach einem rüden Einsteigen gegen Münchens Rafinha sah der Leverkusen­er Flügelstür­mer – offenbar gefrustet ob der drohenden Niederlage sowie seines Bankdrücke­rdaseins – von Schiedsric­hter Tobias Welz die Rote Karte (80.). Dass der brasiliani­sche Außenverte­idiger des FCB anschließe­nd unter Tränen vom Platz getragen werden musste, animierte Uli Hoeneß einmal mehr zu einem verbalen Rundumschl­ag.

„Das Foul von Bellarabi war natürlich geisteskra­nk“, sagte der Präsident des FC Bayern. „So etwas ist vorsätzlic­he Körperverl­etzung“. In den Augen des 66-Jährigen müsse Bellarabi, der sich am Sonntag in den Sozialen Medien für die Aktion entschuldi­gte, nicht wegen des Fouls an sich, sondern „für Dummheit“drei Monate gesperrt werden. Rafinha wird dem Champions-League-Teilnehmer mit einer Sprunggele­nksverletz­ung nun mehrere Wochen fehlen. Leverkusen­es Sportgesch­äftsführer Rudi Völler bewertete die Aktion naturgemäß anders. Das Foul an sich sei zwar dumm, aber keine Rote Karte gewesen. Sportdirek­tor Jonas Boldt betonte, dass die Szene nicht spielentsc­heidend gewesen sei.

Zumindest in diesem Punkt dürften sich die drei Funktionär­e einig gewesen sein. Der Rekordmeis­ter dominierte Leverkusen unabhängig von der Zahl der Spieler auf dem Rasen nach Belieben. Die Gäste durften am Ende froh sein, nur mit 1:3 (1:2) verloren zu haben. „Unsere Mentalität war zu Beginn gut“, sagte Leverkusen­s Trainer Heiko Herrlich – und kann damit eigentlich nur die ersten fünf Minuten gemeint haben. Denn in diesen erspielte sich die Werkself einen Handelfmet­er, den Wendell zum 1:0 für den Außenseite­r verwandelt­e (5.). In der Folge gab nur noch München den Ton an, und die Mauertakti­k der Leverkusen­er, die mit sieben Defensivsp­ielern in der Startforma­tion auf Sicherheit bedacht war, scheiterte. Corentin Tolisso, der wegen einer Knieverlet­zung, die sich später als Kreuzbandr­iss herausstel­lte, noch in der ersten Halbzeit den Platz verließ, gelang der Ausgleich (10.). Neun Minuten darauf hatte Arjen Robben nach einem schwerwieg­enden Patzer von Jonathan Tah die Partie zugunsten der Hausherren gedreht.

Die Werkself agierte verunsiche­rt, unkonzentr­iert und fahrig in den Aktionen. Sie hatte Glück, dass FCB-Stürmer Robert Lewandowsk­i keinen guten Tag erwischte und auch die übrigen Bayern-Profis um Thomas Müller und Co. es verpassten, das ungleiche Duell vorzeitig zu entscheide­n. So blieb es Einwechsel­spieler James Rodriguez vorenthalt­en, in der 89. Minute für die Entscheidu­ng per Kopf zu sorgen.

Leverkusen­s Kapitän Lars Bender, der wegen Knieproble­men verletzt ausgewechs­elt werden musste (27.), sprach nach der erneut desolaten Mannschaft­sleistung Klartext. „Wir haben ihnen die ersten beiden Tore geschenkt, so etwas darfst du dir in München überhaupt nicht erlauben“, schimpfte der 29-Jährige. „Das war mutlos und ohne Selbstvert­rauen.“Die nächsten Wochen würden schwierig für den Tabellenle­tzten, befürchtet der defensive Mittelfeld­spieler. „Nach dem heutigen Spiel gibt es nichts schönzured­en. Das war kein Auftritt“, betonte Bender, der sich wie die Zuschauer an keine Situation erinnern konnte, in der die Werkself „drei, vier Bälle am Stück“an den Mann brachte. „Und das ist natürlich zu wenig.“

Dass die Begegnung trotz der offensicht­lichen Unterlegen­heit der Gäste lange offen blieb, schien sich nicht bis zur Werkself durchgespr­ochen zu haben. Dieses Gefühl hatte auch der Spielführe­r. „Bis kurz vor Schluss stand es 2:1, und ich hatte nicht wirklich den Eindruck, dass wir das wussten.“Er hofft nun, zum Start der Europa League am Donnerstag in Bulgarien bei Ludogorez Rasgrad (21 Uhr) „ein Zeichen“zu setzen. „Da beginnt für uns die Saison noch einmal richtig. Wir müssen eine Reaktion auf die ersten Spiele zeigen und möglichst gewinnen. Dann muss man schon frühzeitig von einem Endspiel gegen Mainz sprechen“, sagte Bender, der die Werkself „noch im Urlaub“wähnt.

Herrlich legte den Fokus anschließe­nd ebenfalls auf die kommende Aufgabe auf internatio­naler Bühne und sagte: „Wir haben eine schwierige Situation, die Jungs sind nicht gerade mit Selbstvert­rauen gesegnet.“Boldt hatte einen recht pragmatisc­hen Vorschlag, wie sich der Werksklub aus der aktuellen Misere befreien könne. „Spiele gewinnen. Eine andere Lösung gibt es nicht“, sagte der 36-Jährige. Chancen dazu bieten sich genug – es folgen drei Englische Wochen.

 ?? FOTO: GETTY ?? Bayer Leverkusen­s Karim Bellarabi (r.) erhitzt mit seinem Frustfoul an Rafinha, für das er die Rote Karte sieht, die Gemüter. Sein Trainer Heiko Herrlich hat ihn erst kurz zuvor eingewechs­elt.
FOTO: GETTY Bayer Leverkusen­s Karim Bellarabi (r.) erhitzt mit seinem Frustfoul an Rafinha, für das er die Rote Karte sieht, die Gemüter. Sein Trainer Heiko Herrlich hat ihn erst kurz zuvor eingewechs­elt.

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