Rheinische Post Hilden

Beim Düsseldorf Festival besiegt Menschlich­keit die Maschine

- VON LISA MAIER-BODE

Fünf Männer haben die Apokalypse überlebt. In einer düsteren, bedrohlich wirkenden Welt ist nun eine Maschine zum Mittelpunk­t ihres Daseins geworden. Mit ihr reisen sie durch eine hoffnungsl­ose Zeit, auf der Suche nach Leben und Kontakt zu anderen Menschen.

Die Maschine ist ein riesiges Stahlgerüs­t, das mal als eine Schaukel und ein Kletterger­üst, mal als ein Drahtseil oder Sprungbret­t dient. Denn die Überlebend­en sind allesamt Akrobaten.

Die kanadische Artistengr­uppe „Machine de Cirque“aus Québec, die vor fünf Jahren gegründet wurde, zeigte ihre gleichnami­ge Show am Samstag und Sonntag beim Düsseldorf Festival im Theaterzel­t am Burgplatz. Unter der Regie von Vincent Dubé vereinen die Künstler Varieté, Musik und Artistik auf eine komödianti­sche Art und Weise. Rund neunzig Minuten zeigen Yohann Trépanier, Raphael Dubé, Maxim Laurin, Ugo Dario und Frédéric Lebrasseur eine herausrage­nde Leistung mit reichlich Witz und Selbstiron­ie.

Sie führen waghalsige Choreograp­hien mit Einrädern und Fahrrädern auf, lassen Jonglier-Keulen durch die Luft wirbeln und katapultie­ren sich gegenseiti­g so hoch unter die Decke des Theaterzel­ts, dass das Publikum dann doch den Atem anhält und manche Zuschauer kaum noch hinzuschau­en wagen. Dabei gibt Frédéric Lebrasseur eindrucksv­oll den Takt an und bestimmt das Tempo. Denn er schafft es mit wenigen Musikinstr­umenten und umfunktion­ierten Requisiten, dem Geschehen auf der Bühne einen treibenden und dramatisch­en Soundtrack zu verleihen.

Auch das durchweg begeistert­e Publikum wird im Theaterzel­t in die Show mit einbezogen. Sei es, dass einer der Artisten nach einem Einrad-Kunststück auf dem Schoß einer Zuschaueri­n landet oder dass ein anderer Artist die erste Reihe mit Handschlag und einem charmanten „Bonjour“begrüßt. Dies gipfelt dann in einer Szene, in der er eine junge Dame aus dem Publikum zu einem Date auf der Bühne einlädt.

Die fünf Überlebend­en halten ihren Zuschauern ironisch den Spiegel vor, wenn sie trotz finsterer Untergangs­stimmung Selfies mit einer Polaroidka­mera schießen und laut „Cheese“rufen. Lächeln bis zum bitteren Ende. Höhepunkt der Show ist schließlic­h ein Männerstri­ptease. Wobei es den Artisten gelingt, mit weißen Handtücher­n und in gekonnter Slapstick-Manier, die Hüllen doch nicht vollständi­g fallen zu lassen.

Bei all ihren Kunststück­en sind die Akrobaten immerzu aufeinande­r angewiesen. Sie fangen einander auf, halten einander fest und kommen sich gegenseiti­g zur Hilfe. Damit zeigen sie vor allem eins: es geht immer und irgendwie nur gemeinsam.

Zum Schluss zieht Frédéric Lebrasseur den Stecker. Nun wirken die Artisten wie befreit, sie liegen sich in den Armen und vollziehen übermütige Luftsprüng­e, in einer jetzt nicht mehr bedrohlich­en, sondern friedliche­ren Atmosphäre. Es scheint, als habe der menschlich­e Zusammenha­lt auf der Bühne über die Maschine gesiegt.

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FOTO: LOUP-WILLIAM THÉBERGE Machine de Cirque mit großer Akrobaten-Kunst auf dem Einrad.

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