Rheinische Post Hilden

Feminines Seelen-Striptease im QQTec

Die Theatergru­ppe „Traumakel“bringt Brigitte Buc´s „Hundswette­r“auf die Bühne an der Forststraß­e in Hilden.

- VON SABINE MAGUIRE

HILDEN Das Wetter ist schlecht, die Laune noch schlechter. Und dann ist da dieses Pariser Bistro, in dem der Kellner eigentlich gerne die Türe von innen abschließe­n würde. Wären da nicht diese drei Frauen und der Champagner. Die eine, ziemlich taff und kurz vor einer wichtigen Präsentati­on im Büro. Die andere alleinerzi­ehend und in ihrer Boutique umgeben von Dessous. Und dann noch die Dritte im Bunde: arbeitslos, beziehungs­los, hoffnungsl­os. Wer Frauen in derartigen Lebenskris­en kennt, der weiß: Das könnte zu einer hochexplos­iven Mischung werden. Man könnte es auch so sagen: Mit Brigitte Buc’s Komödie „Hundswette­r“hat sich die Theatergru­ppe „Traumakel“diesmal herangewag­t an eine Klaviatur ausgeleier­ter Frauenseel­en.

„Das ist hier alles ein bisschen verrückt“, verrät Regisseur Günter Kuschmann, was die Zuschauer im QQTec an den vier Aufführung­stagen erwartet. Er hätte es nicht sagen müssen, ein Blick durchs Probenschl­üsselloch hätte genügt. Da schaukelt sich Helene multitaski­ngmäßig über die Bühne. Geschäftsf­rau, aufopfernd­e Ehefrau, Mutter und kurz vor dem Nervenzusa­mmenbruch. Dazu längst im Brandy und in Grübeleien darüber versunken, ob denn der Champagner sich verträglic­h einreiht in die Abfolge alkoholisc­her Exzesse. Und dann singt sie auch noch, Anke Jochmaring, die eine wunderbare Besetzung für diese Rolle ist.

Wer nun glaubt, der Gipfel psychische­r Entgleisun­gen wäre damit erreicht, dem sei gesagt: Es geht munter weiter in diesem Seelenstri­ptease. Lulu, gespielt von Jutta Blumberg, hadert mit dem Schicksal der Alleinerzi­ehenden mit trister Kindheit. Und Gabriele, herrlich abgewrackt in Szene gesetzt von Chris Wagner, ist die tragische Figur. Einsam und dazu auch noch tablettens­üchtig: Was soll da noch kommen im Leben?

Von Volker Beindorf-Wagner, den vermutlich kein Mann um seiner Rolle als Kellner inmitten femininer Psychokris­en beneidet, ist dazu zu hören: „Die Damen sind zunehmend enthemmt.“

Um Himmelswil­len, muss man sich so etwas wirklich antun? Ja, unbedingt! Nicht nur deshalb, weil es zu Gelassenhe­it verhilft, eigene Seelenqual­en mal mit humorigem Unterton und Augenzwink­ern betrachten zu können. Sondern auch, weil die leidenscha­ftlich aufspielen­den Theaterleu­te das fantastisc­h auf die Bühne bringen. Einfühlsam begleitet von Heinz Danyel am Akkordeon und Karsten Köser am Klavier.

Und mittendrin Regisseur Günter Kuschmann, der sie wunderbar beherrscht: Die Kunst, den neugierige­n Probenbesu­cher hineinzuzi­ehen in dieses Spektakel, dass sich dort auf der QQTec-Bühne vor aller Augen ausbreiten soll. Dass dann auch noch ein Joint die Runde macht und der Kellner notgedrung­en zum Seelenklem­pner mutiert: Ach, was soll´s! Da ist längst schon alles egal. Wer beduselt den Text vergessen hat, dem flüstert Dorothee Cüppers aus der ersten Reihe die richtigen Worte zu. Die Damen sind zunehmend transzendi­ert – und das Publikum ist es irgendwann auch. Und ja, am bitteren Ende soll´s dann auch noch Überraschu­ngen geben. Ob die noch jemand braucht?

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RP-FOTO: SCHÜMMELFE­DER Sie spielen „Hundswette­r“: Anke Jochmaring als Geschäftsf­rau, Chris Waner als Gabriele, Jutta Blumberg als Alleinerzi­ehende und Volker Beindorf-Wagner als Kellner.

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