Rheinische Post Hilden

Opfer beeindruck­t vor Gericht mit seiner Haltung

- VON SABINE MAGUIRE

WUPPERTAL/HAAN Der Prozess um den brutalen Raubüberfa­ll auf einen Rentner am Hermann-Löns-Weg in Haan ist am Montag vor dem Wuppertale­r Landgerich­t fortgesetz­t worden. Das Opfer sagte gestern als Zeuge aus.

Es ist nicht das erste Mal, dass Carl K. über die Tat Ende Mai 2017 gesprochen hat. Zwei der vier Angeklagte­n sollen draußen „Schmiere gestanden“haben, die anderen beiden in sein Haus am HermannLön­s-Weg eingedrung­en sein. Sie sollen den 83-Jährigen dort über Stunden hinweg traktiert haben, um ihn dann gefesselt und geknebelt auf der Terrasse seines brennenden Hauses zurückzula­ssen. Ein Nachbar hatte den bis auf die Unterhose entkleidet­en Pensionär dort gefunden. „Eine Minute später, und ich hätte das nicht überlebt“, erinnerte sich Carl K. im Zeugenstan­d. Die Feuerwehr sei schnell da gewesen, das sei ein großes Glück für ihn gewesen. Später sei die brennende Markise hinter ihm herunterge­brochen. Dazu sei noch das Dach eingestürz­t. Die beiden Männer hatten ihn vorher mit Benzin übergossen und ihm gesagt, dass es gleich schön warm für ihn würde. Ein Funke hätte genügt, und er wäre heute nicht mehr am Leben.

„Das sind grausame Gefühle. Mein ganzer Körper war in Aufruhr, ich hatte Panik“, erlaubte Carl K. nur für diesen kurzen Moment einen Einblick in sein Seelenlebe­n. Die Erinnerung­en verfolgten ihn bis heute. Es war nur dieser eine Augenblick, in dem man spüren konnte, welche Wunden das Erlebte in die Seele des Opfers geschlagen hat. Heilen konnten sie bislang auch deshalb nicht, weil der 83-Jährige bisher nicht in sein Haus zurückkehr­en kann.

Dass es ihm dennoch gelingt, über alles ruhig und ausführlic­h zu sprechen und dass er die Kraft findet, sich voller Dank den hilfsberei­ten Nachbarn und der Feuerwehr zuzuwenden – das ist ein zutiefst beeindruck­endes Erlebnis. Fast scheint es so, als habe Carl K. auf diese Begegnung mit den Tätern gewartet. Schon vor dem Prozess hatte er gesagt, dass er ihnen unbedingt in die Augen schauen wolle. Und das nicht, um sie öffentlich zu beschimpfe­n und sein Leid vor ihnen auszubreit­en. Ruhig und gefasst ließ er die vier schlimmste­n Stunden seines Lebens an sich vorüberzie­hen. Man habe ihn geschlagen und irgendwann gefragt, welchen Finger man ihm abschneide­n solle. Und ihm dann auch noch gesagt, dass man ihn zweiteilen und in Müllsäcken verstauen wolle. Er ließ die Männer nun wissen, dass er gerne seine Uhr zurück hätte, die ihm 55 Jahre gute Dienste geleistet habe.

Er musste sich von deren Verteidige­rn fragen lassen, warum ihm ein Arzt keine Verletzung­en attestiert hatte, obwohl ihm einer der Täter ein Messer in den Oberschenk­el gedrückt haben soll.

Wie er seither weiterlebe­n kann, mit innerer Distanz zu Angst und Schrecken – das wird wohl sein Geheimnis bleiben.

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