Faszination der Flammen
Auf Schloss Jägerhof sprach Andreas Platthaus über „Goethe und das Feuer“.
Goethe zieht an, sogar an einem sonnigen Spätsommerabend. Oder war es das Thema, das so viele Gäste in den Vortragssaal auf Schloss Jägerhof lockte? Vielleicht spielte auch das Renommee des Referenten eine Rolle. Andreas Platthaus, Ressortleiter für Literatur bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, sprach über „Goethe und das Feuer“. Anlass für den Journalisten, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, war der Brand des Frankfurter Goetheturms vor knapp einem Jahr. Mit 40 Metern Höhe war er bis dahin das zweithöchste Holzgebäude Deutschlands und bot eine herrliche Aussicht auf die Stadt und deren Umland. Der Turm wird wieder aufgebaut, aber Platthaus stürzte sich nun in das Werk des Dichters, um dort nach Feuersignalen zu suchen. Sein flottes Arbeitsmotto: „ Von Zeit zu Zeit les ich den Alten gern.“
Feuer wird in Goethes „Faust“als „wahres Hexenelement“gekennzeichnet. Doch im Werk des Dichters ist es mehr als nur das: ein Spiegel seiner Weltanschauung. Schon bald schälte sich für Platthaus eine These heraus, die er in einem rasanten, einstündigen Vortrag eindrucksvoll mit Zitaten belegte: In Goethes Romanen, Novellen, Poemen und Dramen spielen die Flammen ein Vexierspiel, und niemand – nicht der Autor, nicht die Protagonisten, nicht die Leser – kommt aus ihm so heraus, wie er hineingegangen ist. In der Prosaerzählung „Novelle“, die Goethe 1797 als Versepos konzipiert hatte und erst 1826 umgewandelt in den Druck gab, wird auf einem Jahrmarkt ein größeres Brettergebäude Opfer der Flammen.
Bei der Handlung dieser Geschichte geht es nur darum, dass hierdurch ein zur Schau gestellter Tiger und auch ein Löwe in die Freiheit gelangen. Die Art der Beschreibung des Feuers aber zeigt, dass der Dichter den Zufall als Verursacher des Unglücks ablehnt. Eher schon die „schrankenlose Willkür der Natur“, mit der er sich auch das schreckliche Erdbeben von Lissabon im Jahr 1775 erklären will. Prophezeiungen hält Goethe ebenfalls für mögliche Auslöser von Katastrophen. Sein Großvater hatte das Frankfurter Großfeuer von 1774 vorhergesagt, bei dem das Judenghetto vollständig niederbrannte.
Als 1825 das Weimarer Theater ein Opfer der Flammen wurde, ein Haus, dem er ein Vierteljahrhundert lang vorgestanden hatte, zeigte sich, dass Goethe inzwischen eine neue, positivere Einstellung zum Feuer gefunden hatte. Die Nutzbarkeit des Feuers hielt er für interessanter als dessen Zerstörungskraft. Sein Kommentar vor den in der Glut leuchtenden Ruinen des Gebäudes am Theaterplatz: „Es brenne nieder, wir bauen’s schöner wieder auf.“