Rheinische Post Hilden

Die Geldkasse auf dem Segelboot

Burghart Klaußner las im „Central“aus seinem Roman-Erstling „Vor dem Anfang“.

- VON CLEMENS HENLE

Burghart Klaußner ist ein Multitalen­t: Als Filmschaus­pieler ist er internatio­nal bekannt, er inszeniert seine eigenen Theaterstü­cke, steht selbst auf den renommiert­esten Sprechbühn­en und hat eine Vielzahl an Hörbüchern eingesproc­hen.

Als ebensolche­r Vorleser war Klaußner jetzt im Central zu Gast. Nur dass der 69-Jährige diesmal nicht aus „Der große Gatsby“oder „Schuld“las, sondern aus seinem eigenen Debüt-Roman „Vor dem Anfang“. Inspiriert zu der Geschichte über zwei Soldaten, die im April 1945 durch Berlin irren, wurde Klaußner durch seinen Vater. Kurz vor dessen Tod erzählte er seinem Sohn, wie er in ebenjenem April 1945 im Strandbad Wannsee auf einer Toilette von deutschen Feldjägern erschossen werden sollte – genau wie Fritz, der Protagonis­t des Buches.

Klingt alles erstmal nach schweren Kriegserin­nerungen, nach Zerstörung und Naziverbre­chen. Doch Klaußners literarisc­her Erstling behandelt diese Themen nur am Rande, ohne sie jedoch gänzlich auszublend­en. Vielmehr geht es in der nur zwei Tage im Leben der beiden Soldaten umfassende­n Novelle um das Nebeneinad­er von Chaos und Ordnung, von Idylle und Kriegsschr­ecken. Immer wieder ist von dem sonnigen Frühlingst­ag die Rede, an dem Fritz und Schulz zusammen auf Fahrrädern eine Geldkasse der Luftwaffe durch das zerbombte Berlin fahren, Ziel ist Fritz’ Segelboot auf dem Wannsee.

All das erzählt und liest Klaußner sehr lakonisch, immer wieder lacht das Publikum im großen Saal des Centrals. Denn der Schauspiel­er und geübte Leser weiß natürlich, wie die Pointe am besten sitzt. In breitem Berlineris­ch ahmt er die Soldaten nach, die befohlene Übergabe der Geldkasse im Reichsluft­fahrtminis­terium spielt mit Slapstick-artigen Elementen. Und sorgt für ein amüsiertes Publikum.

Doch die Idylle der letzten Kriegstage wird bei Klaußner durch den Überlebens­kampf des Protagonis­ten Fritz unterbroch­en. Nur knapp entgeht er der Rekrutieru­ng durch die SS, kann sich mit viel Glück ungesehen an Wachposten der Roten Armee vorbeischi­ffen und beobachtet zum Schluss, sicher angekommen auf seinem Boot, den Beschuss Berlins durch die sowjetisch­en Truppen. Nach gut einer Stunde Lesung ist Klaußner damit am Ende seiner Novelle, einem Debüt, das zeigt, dass er nicht nur ein fabelhafte­r Schauspiel­er ist, sondern auch ein sehr unterhalts­amer Romancier.

Der Schauspiel­er weiß natürlich, wie man Pointen setzt

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