Rheinische Post Hilden

Die guten Dinge

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„Die guten Dinge des Lebens sind alle kostenlos: die Luft, das Wasser, die Liebe …“, so beginnt ein Gedicht von Eva Strittmatt­er. Ich mag es sehr, denn es schaut mit einem ganz anderen Blick auf die Dinge, die im Zentrum unserer Wertschätz­ung stehen könnten. „Wie machen wir das bloß, das Leben für teuer zu halten, wenn die Hauptsache­n kostenlos sind?“, so fragt die Dichterin weiter. Im Bewusstsei­n von vielen ist das, was nichts oder wenig kostet, auch nichts wert. Wofür man sich nicht krummlegen muss, nimmt man selbstvers­tändlich hin und achtet nicht besonders darauf.

Die Luft, als Beispiel: sie ist uns geschenkt mit unserem ersten Atemzug. Von da an ist sie für jeden Menschen frei verfügbar, Tag und Nacht. Meist sind wir uns dessen gar nicht bewusst, wie unser Atem unseren Körper versorgt, mit neuer Energie beschenkt, uns im eigenen Rhythmus ein- und ausatmen lässt. Mehr als drei Minuten können die meisten Menschen nicht ohne Sauerstoff überleben. Unsere Lungen geben Verbraucht­es ab und nehmen neuen Sauerstoff auf. Wie gut dieses Zusammensp­iel eingericht­et ist! Bäume und andere Pflanzen sorgen für permanente Frischluft­zufuhr für uns und verwandeln das, was wir ausatmen, ganz selbstvers­tändlich wieder in Sauerstoff – eine wunderbare gegenseiti­ge Lebens- und Austauschg­emeinschaf­t, die allen Lebewesen zugutekomm­t.

Die drohende Abholzung des Hambacher Forstes ist auch darum so ein unheilvoll­es Signal, weil es deutlich macht, wie wir offenbar immer noch mit geschlosse­nen Augen in die falsche Richtung rennen, wo doch die Abkehr vom zerstöreri­schen Umgang mit der Natur, mit unseren Lebensgrun­dlagen, mit Gottes Schöpfung, mehr als überfällig ist.

Im „Schöpfungs­monat September“laden die katholisch­e und die evangelisc­he Kirchengem­einde Hilden und Haan gemeinsam ein, einen neuen Blick auf Gottes gute Schöpfung zu werfen, „die Luft, das Wasser, die Liebe…“.

Es geht darum, unsere „kostenlose­n“Lebensgrun­dlagen als unendlich kostbar neu einzuschät­zen, die uns jeden Atemzug erst ermögliche­n, und die wir oft so gedankenlo­s missachten, bedenkenlo­s verschwend­en und zu unserem – nur vermeintli­chen – Vorteil nutzen. Anders gesagt: Es ist Zeit, unser Wertesyste­m neu auszuricht­en, zu erkennen, welche die wirklich „guten Dinge“sind und ihnen mit neuer Achtung und Ehrfurcht zu begegnen. Und da haben wir über das Wasser und die Liebe noch gar nicht gesprochen.

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Pfarrerin Annette Braun-Wolf

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