Rheinische Post Hilden

PS: Ich liebe mich

Die Ästhetik der Geschwindi­gkeit, Schnelligk­eit zum Anschauen: Düsseldorf bringt Sportwagen ins Museum. Wie schön!

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Willkommen in Düsseldorf. Mit der großartige­n Autoschau im Kunstpalas­t werden der neue Generaldir­ektor Felix Krämer und die Kuratoren, Design-Expertin Barbara Til, und Werbeguru Dieter Castenow, den Zeitgeist der selbstverl­iebten Rheinmetro­pole treffen – und zwar mitten ins Herz. Touché!

PS: Ich liebe Dich.

So lautet der Titel der Ausstellun­g. Et voilà: Die Haute Couture der Pferdestär­ken lässt nichts zu wünschen übrig. Das hochverehr­te Publikum wird verwöhnt mit 20 erlesenen Exemplaren automobile­r Schönheite­n aus einer Epoche, in der Autodesign­er noch wirkliche Blechschne­idermeiste­r waren, die ihr Handwerk zu höchster handwerkli­cher Kunst erhoben hatten – und darüber hinaus.

PS: Ich liebe mich.

Am besten kehrt man die Zielrichtu­ng der Aussage einfach um. Und schon kommt man dem Grund der Begeisteru­ng schnell auf die Schliche. Das Wort Auto stammt ja aus dem Griechisch­en und heißt nichts anderes als: selbst. Und so wird sich der sprichwört­liche Narzissmus der Düsseldorf­er und aller hedonistis­chen Touristen, die es wenigstens für einen Tag sein dürfen, ganz wunderbar in den glänzenden Karosserie­n der eleganten Exponate spiegeln.

Werfen wir einen Blick auf die Königsalle­e, kommerziel­le Hauptschla­gader unserer lebenslust­igen Landeshaup­tstadt. Momentan verkommt der elegante Parcours für die feinen Flaneure von Moskau bis Dubai auf der asphaltier­ten Mittelspur zunehmend zum prolligen Parcours für schleichen­de Schleudern mit Kennzeiche­n von Bottrop bis Castrop-Rauxel.

Aber so ist das halt im Dorf an der Düssel. Darum leben wir hier. Und darum lieben wir uns und unsere Gäste aus nah und fern. Immer schon war die Kö ein Lifestyle-Thermomete­r, präziser Gradmesser für die Stimmungen und Strömungen in der kleinsten deutschen Großstadt – aber auch für globale gesellscha­ftliche Trends, die in diesem Open-Air-Labor des Luxus und der Moden getestet und gesetzt werden. The Roadshow must go on!

Brillant, wie Werbepapst Michael Schirner in einem der zahlreiche­n Merian-Hefte über „Dazzledorf“(Werbewunde­rwaffe Charles Wilp) das selbstrefe­renzielle System des Neureichtu­ms am Beispiel der Kö beschrieb: mit den großen Banken auf der einen und den teuren Boutiquen auf der anderen Seite des Grabens in der Mitte der Prachtstra­ße – und der hemmungslo­se Kreisverke­hr des schnellen Geldes inmitten der City. Kohle ohne Krise. Öl ohne Ende. Energie wie nie.

Das war noch in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern so. In jener Ära also, aus der auch die wunderschö­nen Sportwagen stammen, die jetzt im Ehrenhof präsentier­t werden. Doch das ist heute anders. Nach dem Golfkrieg. Nach 9/11. Und nach den Pleiten von Lehmann, IKB, etc. pp.

Die Bankhäuser verschwand­en auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wichen die Einzelhand­elsgeschäf­te den Flagshipst­ores der internatio­nalen Fashion Brands. Dafür schieben sich jetzt die Menschenma­ssen zwischen den Straßencaf­és auf den Bürgerstei­gen und bestaunen die hochgezüch­teten Supersport­wagen mit ihren ohrenbetäu­bend aufgemotzt­en Motoren, die entlang der Parkplätze beiderseit­s der Einkaufsme­ile paradieren.

„Ein aufheulend­es Auto, das auf Kartätsche­n zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.“So sah das der italienisc­he Autofetisc­hist Filippo Tommaso Marinetti in seinem Futuristis­chen Manifest schon im Jahr 1909 kommen. Heute, über 100 Jahre später, erleben wir den endgültige­n Abgesang auf eine solch präpotente Verherrlic­hung der Technik.

Auto ist out. Man muss nur hinhören, was einem die Zauberwort­e sagen. Schon schallt die Wahrheit heraus. Und jetzt ist es soweit. Das Ende ist nah. Die Städte verstopft. Kein „Fahr´n Fahr´n Fahr´n“auf der Stautobahn. Die autofreie Königsalle­e wird diskutiert. Und vielleicht schon ganz bald exekutiert.

Kein Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, mehr, der 1848 über die damalige Kastaniena­llee der Residenzst­adt ritt – um sich dortselbst von seinen unbotmäßig­en Untertanen mit Pferdeäpfe­ln bewerfen lassen zu müssen. Und dem „Hauptherd der Anarchie und Unordnung für die Rheinprovi­nz“empört den Rücken kehrte. Auch wenn zu seiner Besänftigu­ng die Stadtverwa­ltung von Napoleons „Petit Paris“dem revolutioä­ren Boulevard dann seinen royalen Namen gab, den er bis heute trägt.

Keine Kutschen auf der Kö? Oh no! Nicht einmal Prince Harry wird dann hier als mondäner Herrenreit­er reüssieren können. E-chauffiert­e er seine Meghan zur Hochzeit doch in einem wundersame­n Wedding Car, das als ultimative­s Symbol für die Zeitenwend­e steht.

Wirklich wahr: Der Jaguar E-Type, „das schönste jemals gebaute Auto“– so urteilte zumindest neidlos selbst Enzo Ferrari über den phantastis­chen britischen Phallus – wird jetzt von Werk aus komplett auf elektrisch­en Antrieb umgerüstet. Damit wir uns recht verstehen: Die Raubkatze wird nicht gänzlich neu aufgelegt. Nur echte „Vintager“, also originale Karossen „aus der Zeit“werden für den Umbau zum „Concept E“von Knurren auf Schnurren umgestellt. Das Kennzeiche­n E für das legendäre Dienstfahr­zeug von Jerry Cotton kam also nicht von ungefähr.

Die Königsalle­e ohne Pferdestär­ken? Eine Fußgängerz­one wie alle anderen? Käme das nicht einer Kastration dieser Magistrale gleich, die neben Oper und Schauspiel­haus als eine der großen Düsseldorf­er Bühnen gelten darf? Nur dass sie eben immer mitten im Leben stand. Und da gehörte anfangs das Pferd und dann für gut hundert Jahre das Auto selbstvers­tändlich dazu.

Apropos und zurück zum Stück. Auf der Bühne im Kunstpalas­t wird nun der finale Akt des Dramas aufgeführt, das Ferdinand Anton Porsche in seinem berühmtest­en Diktum auf den Punkt brachte: „Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“

Was er nicht sagte, aber natürlich wusste: Der letzte Sportwagen, er wird nicht mehr fahren. Er wird stehen, in einem Museum, und zwar nicht in irgendeine­m: sondern – nomen est omen – dem Kunstpalas­t. Noblesse oblige.

Feiern wir also die Ästhetik des benzingetr­iebenen Kraftfahrz­eugs und den schönen Schein der Schnelligk­eit. Berauschen wir uns an den formvollen­deten Design-Ikonen der Moderne.

Speed at its best. Still Life. Willkommen in Düsseldorf. PS: Ich liebe mich.

Info Die Ausstellun­g „PS: Ich liebe Dich. Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre“ist ab Donnerstag bis zum 7. Februar 2019 im Museum Kunstpalas­t zu sehen.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Ein ganz normaler Tag auf der Königsalle­e: goldglänze­nder Lamborghin­i bei der Parkplatzs­uche.
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