Feminismus in der Ritterrüstung
Der schwedische Cirkus Cirkör bietet eine Performance zum Diskutieren.
Sie sind die Hohepriesterinnen der Akrobatik und zelebrieren im Zelt des Düsseldorf Festivals den Feminismus. Mit diesem einen Satz ließe sich beschreiben, was die Artistinnen des schwedischen Cirkus Cirkör auf der Bühne am Burgplatz zeigen. Wobei – was heißt hier Bühne? Die Frauen treten quasi im schwarzen Inneren eines Vulkans auf, der im Hintergrund noch gefährlich zu brodeln scheint. Sie sind in Rosa bis Violett gekleidet – die Farben der Weiblichkeit, die aber auch Selbstbewusstsein und Stärke suggerieren sollen. Gleiches wollen sie auch mithilfe ihrer Körper ausdrücken.
Tilde Björfors, Regisseurin und Gründerin des Cirkus’, hat sich bei ihrer aktuellen Inszenierung „Epifónima“(„Ausruf“, Anfang September war Weltpremiere) von starken Frauen inspirieren lassen. Weil gesellschaftliche Themen und Probleme ihr Anliegen sind und sie mit zeitgenössischem Zirkus die Welt verändern will, legt sie diesmal mit ihrer komplett weiblichen Truppe das Augenmerk auf die Rechte der Frauen und deren Verteidigung. Die #MeToo-Kampagne der US-Amerikanerin Tarana Burke gegen den Missbrauch durch Männer wird also quasi mit akrobatischen Mitteln fortgesetzt – akustisch von dramatischen Hintergrund-Chören unterstützt. Bei „Epifónima“wird alles Mögliche demontiert, am Schluss sogar die gesamte Bühnenkonstruktion. Das kuppelförmige Gerüst, an dem die Akrobatinnen vorher hingen, auf dem sie geklettert sind und vom dem sie sich an Strapaten herabließen – es mag für gängige gesellschaftliche Werte stehen, die infrage gestellt werden.
Ritterrüstungen – einst starke Sinnbilder männlicher Machtdarstellung – werden in ihre Einzelteile zerlegt. Die Künstlerinnen nutzen blecherne Handschuhe und den spitzen Fußschutz als modische Accessoires. Oder hängen diese Teile in einem Netz wie einen Haufen Schrott auf, dessen Gegengewicht der weibliche Körper bildet. Die Frauen schonen einander nicht, sie vollbringen gemeinsam Höchstleistungen – drehen und verbiegen sich, auch gegenseitig, klettern katzengleich gebogene Stangen bis ins Zeltdach hinauf. Wir sehen ein Pole-Dancing der anderen Art, dann aber wieder ein martialisches Auftreten einer Akrobatin als Jeanne d’Arc, die jedoch nicht für den Krieg, sondern für „free coffee“eintritt. In der Pause kann sich das Publikum an Ständen bei Initiativen für Gleichberechtigung informieren, auch das gehört beim Circus Cirkör zum Konzept. Bei allem überzeugenden akrobatischen Können ist es die strenge Programmatik der Inszenierung, die verstört und Zuschauerinnen fragend zurücklässt: Muss Emanzipation sich wieder wie zu den Hoch-Zeiten von Alice Schwarzer und „Emma“inszenieren? Brauchen wir nicht andere Wege zu- und miteinander? Aber vielleicht ist es genau diese Diskussion, die Cirkus Cirkör anstoßen will. www.duesseldorf-festival.de