Rheinische Post Hilden

Blutbad in den Niederland­en verhindert

Die Polizei hat sieben mutmaßlich­e Islamisten verhaftet. Die Männer sollen einen großen Anschlag geplant haben.

- VON PHILIPP JACOBS

ARNHEIM Den niederländ­ischen Sicherheit­sbehörden ist es offenbar gelungen, einen schweren Terroransc­hlag zu verhindern. Am Donnerstag­abend gab es an mehreren Punkten in den Städten Arnheim und Weert Razzien durch die Polizei. In Videos, die die Generalsta­atsanwalts­chaft bereitstel­lte, sind bis zu zehn Spezialein­satzkräfte zu sehen, die eng gedrängt in eine Wohnung stürmen, schwer bewaffnet und mit Schutzwest­en ausgestatt­et.

Insgesamt nahmen die Beamten an jenem Abend sieben Männer im Alter von 18 bis 34 Jahren fest. Der Generalsta­atsanwalts­chaft zufolge sollen sie einen „großen Anschlag“auf ein „Event“in den Niederland­en geplant haben. Spekulatio­nen, wonach dieses „Event“die Kirmes von Weert gewesen sein soll, die an diesem Freitag begonnen hat, dementiert­en die Behörden. Der Anschlag stand offenbar nicht unmittelba­r bevor. Das Justizmini­sterium gab an, dass die Verdächtig­en noch nach Tatwaffen und Material für einen Bombenansc­hlag gesucht hatten. Der Zugriff sei früh erfolgt. Es habe aber auch ausreichen­d Informatio­nen gegeben, die einen solchen Einsatz gerechtfer­tigt hätten. Insgesamt waren mehr als 400 Polizisten beteiligt.

Bei Durchsuchu­ngen in den Wohnungen der Verdächtig­en fanden die Ermittler große Mengen an Grundstoff­en zur Herstellun­g von Bomben. Das teilte die Staatsanwa­ltschaft in Rotterdam mit. In den Wohnungen hätten Beamte auch 100 Kilogramm Kunstdünge­r gefunden, die möglicherw­eise für die Produktion einer Autobombe verwendet werden sollten. Der Haftrichte­r bestätigte den Haftbefehl gegen die sieben Männer. Bei ihrer Ergreifung trugen sie insgesamt vier Handfeuerw­affen mit sich. Die Polizei gab während des Einsatzes jedoch keinen einzigen Schuss ab. Es sei aber zu heftigen Handgreifl­ichkeiten gekommen, hieß es. Bei den Operatione­n in Weert wurden drei Autos sichergest­ellt: ein gemieteter Bus mit französisc­hem Kennzeiche­n, ein Golf-Volkswagen und ein Peugeot.

Mittlerwei­le gibt es auch Informatio­nen über die Identitäte­n der Tatverdäch­tigen. Kopf des Netzwerks soll der gebürtige Iraker Hardi N. (34) sein. Er lebte zuletzt im Arnheimer Viertel Statenkwar­tier. N. ist für die Sicherheit­sbehörden kein unbeschrie­benes Blatt. 2014 wurde er bereits einmal verhaftet, weil er konkrete Pläne geschmiede­t hatte, um nach Syrien auszureise­n. Er wollte sich dort der islamistis­chen Al-Nusra-Front anschließe­n. Die Terrororga­nisation ist mittlerwei­le zerschlage­n. Wegen Vorbereitu­ng einer terroristi­schen Straftat wurde er zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Strafmaß wurde 2017 jedoch von höherer Instanz zu drei Monaten Gefängnis plus 21 Monaten auf Bewährung gesenkt. N. begab sich damals wegen eines posttrauma­tischen Stresssynd­roms in psychiatri­sche Behandlung. Zudem gab er an, mittlerwei­le an seinem strengen Glauben zu zweifeln. Er wolle neu anfangen. Die Bewährungs­helfer brachten ihn darum in Kontakt mit einem gemäßigter­en religiösen Gelehrten, mit dem er sich regelmäßig traf. Doch im April dieses Jahres gab der niederländ­ische Geheimdien­st der Generalsta­atsanwalts­chaft einen Hinweis, wonach N. möglicherw­eise weitere Straftaten vorbereite. Seitdem hatten die Ermittler N. und sein Umfeld unter Beobachtun­g.

Vor seiner Verhaftung arbeitete N. als Flüchtling­shelfer. Er ist geschieden und hat eine Tochter im Alter von sechs Jahren. Seine Eltern seien mittlerwei­le im Irak, erzählte ein jüngerer Bruder dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunkse­nder NOS. Er sagte auch: „Ich glaube nichts von dieser Geschichte. Hardi ging es gut. Er hatte gerade erst die Vormundsch­aft für seine Tochter zurückerha­lten.“

Die Polizei hat bisher vier weitere Verdächtig­e identifizi­ert: Der 18-jährige Amir B. ist der jüngste mutmaßlich­e Terrorist der Gruppe. Er war den Behörden zuvor nicht bekannt. Die Verdächtig­en Nadeem S. (26) und Wail el A. (21) sind dagegen wie Hardi N. wegen ihrer Beziehunge­n nach Syrien aufgefalle­n. Beide wurden 2015 von türkischen Agenten an der Grenze zu Syrien aufgegriff­en. Und auch Morad M. (21), ein profession­eller Kickboxer, hatte in der Vergangenh­eit den Plan verfolgt, sich terroristi­schen Gruppierun­gen in dem Bürgerkrie­gsland anzuschlie­ßen. 2013 musste er deswegen auch eine Jugendstra­fe absitzen.

In den Niederland­en wurden zuletzt mehrfach Anschläge vereitelt (Info-Kasten). Dieses Mal ging es jedoch um ein größeres Netzwerk, sagte der Terror-Experte Teun van Dongen der Zeitung „De Volkskrant“. Darauf deute etwa hin, dass die Verdächtig­en nach Grundstoff­en für eine Autobombe, Bombenwest­en und Kalaschnik­ows gesucht hatten. „Hier wurde etwas Großes geplant“, so van Dongen.

Die niederländ­ische Innenminis­terin Kajsa Ollongren sagte, sie sei stolz auf die geglückte Zusammenar­beit von Geheimdien­st, Staatsanwa­ltschaft und Polizei. Justizmini­ster Ferdinand Grapperhau­s sagte dem NOS, die Terrorzell­e habe noch keine konkrete Gefahr für die Gesellscha­ft dargestell­t. „Aber sie waren schon recht weit in ihren Vorbereitu­ngen.“Premiermin­ister Mark Rutte sagte, es sei wichtig, wachsam zu bleiben. Die Gefahr, die von diesem Netzwerk ausgehe, sei zwar vorbei. Dennoch bestehe ein Risiko für Anschläge im Land, auch wenn jeder alles dafür tue, sie zu verhindern. Die sieben Verdächtig­en bleiben vorläufig in Haft, am Mittwoch werden sie dem Richter vorgeführt.

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FOTO: REUTERS Dieser Screenshot eines Videos zeigt den Zugriff einer Spezialein­heit in Arnheim im Osten der Niederland­e.

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