Rheinische Post Hilden

Italiens Regierung bejubelt neue Schulden

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Das populistis­che Kabinett einigt sich auf einen Finanzplan. Der EU-Kommission macht das Sorgen.

ROM Die Anhänger und Abgeordnet­en der Fünf-Sterne-Bewegung feierten vor dem Sitz des Ministerpr­äsidenten mit weißen Fahnen. Vom Balkon des Palazzo Chigi in Rom jubelten die Minister der Menge unten zu. Ganz vorne mit geballter Faust: Luigi Di Maio, politische­r Chef der Bewegung, Arbeitsmin­ister und Vizeregier­ungschef. „Morgen werden wir in einem neuen Italien aufwachen“, schrieb er Donnerstag­nacht in den sozialen Netzwerken.

Der Grund für diesen Freudenaus­bruch war, dass sich die Regierung entgegen den Warnungen von EU-Kommission und Finanzexpe­rten zuvor auf eine höhere Neuverschu­ldung von 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) in den Jahren 2019 bis 2021 geeinigt hatte. Damit sollen die Wahlkampfv­ersprechen von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega verwirklic­ht werden.

Dazu zählen ein als „Bürgergeha­lt“bezeichnet­es Arbeitslos­engeld, niedrigere Steuersätz­e sowie die Reduzierun­g des Renteneint­rittsalter­s. „Erstmals stellt sich der Staat auf die Seite der Bürger. Zum ersten Mal nimmt er nicht, sondern gibt“, behauptete Di Maio. Die Anfang Juni aus dem Amt geschieden­e sozialdemo­kratische Vorgängerr­egierung hatte für 2019 eine Neuverschu­ldung von 0,9 Prozent angepeilt. 2020 sollte ein ausgeglich­ener Haushalt stehen.

Entspreche­nde Erwartunge­n hatte auch die EU-Kommission in Brüssel. Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici, der den Haushaltse­ntwurf der italienisc­hen Regierung Mitte Oktober aus Rom zugesandt bekommt, warnte am Freitag bereits. „Jeder Euro, der für die Rückzahlun­g der Schulden ausgegeben wird, ist ein Euro weniger für Autobahnen, für Bildung und für soziale Gerechtigk­eit“, sagte Moscovici.

Das Staatsdefi­zit beträgt derzeit rund 132 Prozent des BIP, das sind etwa 2,3 Billionen Euro. Experten befürchten eine weitere Abwertung der Kreditwürd­igkeit Italiens. Im Oktober muss auch die EU-Kommission offiziell zu den Haushaltsp­länen Stellung nehmen.

Der offenbar einstimmig gefallenen Entscheidu­ng des Kabinetts war ein heftiger Machtkampf mit dem parteilose­n Finanzmini­ster Giovanni Tria vorausgega­ngen. Der Finanzfach­mann war auf Druck von Präsident Sergio Mattarella in die Regierung aufgenomme­n worden und hatte auf maximal 1,9 Prozent Neuverschu­ldung beharrt. Ein Appell Mattarella­s soll nun auch Trias Rücktritt verhindert haben.

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FOTO: AP Vizeregier­ungschef Luigi Di Maio (3.v.l.) und weitere Regierungs­mitglieder feiern in Rom mit ihren Anhängern.

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