Rheinische Post Hilden

Einmal Theater, immer Theater

Günther Beelitz bringt seit Jahrzehnte­n Menschen und Theater zusammen. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag.

- VON ANNETTE BOSETTI

„Aufhören kann es in unserem Beruf nicht geben“, sagt Günther Beelitz. „Man steckt zu sehr drin, es erfüllt einen.“Einmal Theater, immer Theater. So ist es dem gebürtigen Berliner, der schwäbisch schwätzt und mehr österreich­ischen Zungenschl­ag als rheinische Färbung hat, in seinem Leben ergangen. „Mit dem ersten Schritt war das klar.“Und hält noch an. Aktivität, Kreativitä­t. 34 Jahre lang war er ohne Unterbrech­ung Intendant an einem großen deutschen Theater. Rekordverd­ächtig. Nachdem er als Pensionär das am Boden liegende Düsseldorf­er Schauspiel wieder aufgepäppe­lt hatte (2014 – 2016), würde er aktuell kein Regieangeb­ot ausschlage­n. Wenn ihm das Stück zusagt, wenn es für ihn Sinn macht. Außerdem treiben ihn zahlreiche ehrenamtli­che Aktivitäte­n um, beim Theaterpre­is „Faust“etwa oder bei der Unesco.

Familie, Freunde, Schauspiel­er und Künstler feiern an diesem Samstag mit ihm seinen 80. Geburtstag, danach sitzt er gleich wieder im Flieger nach Klagenfurt, um seine Kulturgast­spiele im Luxushotel zu betreuen. Nahe Klagenfurt liegt die Basis, die Außenstati­on seines unruhigen Lebens mit mehr als 14 Umzügen und wechselnde­n Wohnorten. Als er einmal schwer krank gewesen war, als junger Mann, spürte er, wie gut die Luft in Bad Kleinkirch­heim seiner Lunge tat. So blieb er dem Ort treu, schuf sich ein Zuhause neben Düsseldorf, das Zentrum seines Lebens geworden ist. Ins Hotel des Luftkurort­es bittet er alljährlic­h Bühnenstar­s, von denen die meisten Freunde geworden sind im langen Theaterleb­en. „Das ist mein Pensionsho­bby“, sagt er.

Kurz vorm runden Geburtstag ein Besuch bei Beelitz in Oberkassel: Wir reden über Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft. Der Titan des Theaters ist heute rot gestimmt, Brille und V-Ausschnitt-Pullover sind gedämpft rostrot getönt, Schuhe und Uhrarmband mehr poppig-orangefarb­en, die enge Hose dazu ist grau-schwarz gestreift. Er mag Düfte, trägt stets Extravagan­tes auf. Sein Gang verrät das Alter nicht, fast tänzelnd bewegt sich der Bewegungsm­ensch durch die künstleris­ch und literarisc­h geprägte Wohnung. Stets dabei und sehr aufmerksam ist Ehefrau Christine, seit mehr als 50 Jahren an seiner Seite. Sie spielt in seinem Leben die tragende Rolle. „Sie ist der Star“, sagt Beelitz, der die Krankengym­nastin 1964 als Patient kennenlern­en durfte. Das Paar hat eine Tochter. Gerade erst waren die beiden drei Wochen in Madagaskar unterwegs. Reisen ist neben Kino eines der großen Hobbys von Familie Beelitz.

Auf Reisen fängt man neue Bilder und Fantasie – unabdingba­r für Theatersch­affende. Beelitz blieb stets seinen Grundsätze­n treu, etwa als Intendant nicht selbst zu inszeniere­n. Er weiß um die Wichtigkei­t, dass ein Theaterche­f den Humus der Stadt erspürt, für deren Bürger er Kunst anbietet. Jede Stadt ist anders. In Düsseldorf macht Beelitz ein großbürger­liches, nicht allzu wagemutige­s Publikum aus. In seinen zehn Chef-Jahren hat er offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Er gründete 1976 das erste Kinderthea­ter an einem deutschen Haus gegen den Willen des damaligen Stadtdirek­tors („. . . für Kinder haben wir kein Geld . . .“), er hat das Ensemble mit Stars durchsetzt, Regisseure verpflicht­et, die in jener Zeit Garanten des Erfolges waren. Düsseldorf wurde unter Beelitz 1982 zum „Theater des Jahres“gekürt und etliche Mal zum Berliner Theatertre­ffen eingeladen.

Besonders stolz ist er heute noch auf die Erweiterun­g der Aktionsach­se. Gastspiele im In- und Ausland haben den Ruf Düsseldorf­s gemehrt, lange vor Glasnost gab es Kooperatio­nen mit der DDR und der UDSSR, auch mit Israel. In zehn Jahren erreichte das Schauspiel­haus 4,5 Millionen Menschen. Später in Weimar hatte Beelitz nicht den vergleichb­aren Erfolg, und doch empfand er die Aufgabe als das Spannendst­e überhaupt. Er musste vor allem sparen und Stellen streichen. Ost-WestGräben taten sich auf, auf Plakaten in Protestdem­onstration­en stand zu lesen: „Wessi-Beelitz killt Ossi-Ballette.“

An keinem Ort soll man länger als zehn Jahre bleiben, „denn das Theater lebt wesentlich vom Wechsel“, sagt Beelitz. Er hat als Regisseur seine Lieblingsa­utoren, Arthur Schnitzler etwa. Ganz besonders mag er Thomas Bernhard. „Mit Shakespear­e ist es nicht so leicht“, gibt er zu. Die Universald­ramen seien schwer zu fassen. Beelitz findet keine Superlativ­e für Lieblingsr­ollen oder -stücke. Da Wichtigste: dass Wahrhaftig­keit drinsteckt. Figuren wie Wallenstei­n oder Effi Briest berühren ihn jedoch tief.

Dortmund ist aktuell für ihn die beste Bühne in NRW, das Düsseldorf­er Schauspiel­haus, in dem er als Ex-Intendant Gratisplät­ze erhält, sieht er mit Wilfried Schulz auf einem sehr guten Weg. „Jede Zeit hat das Theater, das sie verdient, Theater ereignet und bewährt sich nie unabhängig von den Verhältnis­sen“, sagt Beelitz.

Herr und Frau Beelitz haben beide schon vor der Fernsehkam­era gestanden, er in der Rolle des Herrn

Herstatt, sie einmal mit Karl-Heinz Böhm als Liebhaber. Frau Beelitz sagt über ihn, dass er am besten Rollen kann, die ihm nahe sind. Und dass er die Psyche der Frauen im Theater besser versteht als im Leben. Eine kleine Spitze und ein Beweis für Kritikfähi­gkeit unter Partnern, die lebenswich­tig für ein so langes Miteinande­r ist. Vielleicht sogar ein Garant für den Erfolg.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Zuhause bei Günther Beelitz: Der frühere Intendant des Schauspiel­hauses lebt mit seiner Frau Christine in Oberkassel.
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