Das ansteckende Virus Koalitionitis
Das Regierungs-Geschacher infiziert wohl bald auch München.
Das abstoßende Berliner Regierungs-Geschacher infiziert wohl bald auch München. Wenn die Demoskopen Recht behalten, steht auch Bayern am übernächsten Sonntag der Ausbruch einer politischen Krankheit bevor: Ich nenne sie Koalitionitis, eine bundesdeutsche und gesamteuropäische Infektion. Als seien die jüngsten Berliner Beispiele des mehr schlecht als recht funktionierenden Regierungsbündnisse zwischen Parteien, die nicht zusammen gehören (wollen), nicht abschreckend genug, werden wohl auch die Wahlberechtigten im Südstaat gegen Klarheit und für Kuddelmuddel votieren. Ist das eine Variante von Wohlstands-Verwirrung übersättigter Schönwetter-Demokraten, deren Lieblings-Regierungsform ohnehin der Runde Tisch wäre?
Zu viele Menschen bei uns stellen sich politische Debatte wie Kindergeburtstage vor: mit vielen bunten Smarties, aber – um Himmels willen nicht zu viel Süßem, und scharf Gewürztem erst recht nicht –, mit veganen Würstchen und fair gehandeltem Kakao inklusive laktosefreier Milch. Viele stört eine knallharte Konfrontation zwischen einer starken, da allein regierenden Partei und einer ebenso kraftvollen Parlamentsopposition.
Unser Wahlrecht, das in der Regel Klarheit vernebelt und zu viele, vielfach abhängige Parteilisten-Abgeordnete in die Parlamente plumpsen lässt, wird gerade deshalb auch nie nennenswert reformiert werden. Wenn in Bayern am Wahlabend das abstoßende Geschacher um mögliche Koalitionen einsetzt, wie wir es zuletzt vor einem Jahr nach der Bundestagswahl erlitten haben, werden sich die bereits von Koalitionitis Befallenen freuen und „Cosi fan tutte“, „So machen es alle“rufen. Man fühlt sich als kränkelnder Durchschnittsschüler schon viel besser, wenn sich auch der Klassenprimus angesteckt hat. Oder?