Rheinische Post Hilden

Merkel besorgt über israelisch­e Siedlungsp­olitik

Bei den siebten deutsch-israelisch­en Regierungs­konsultati­onen beschließe­n die beiden Kabinette in Jerusalem die Gründung eines Jugendwerk­s.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN/JERUSALEM Es klang wie das Eingeständ­nis tiefgreife­nder Meinungsun­terschiede, als Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Rande der deutsch-israelisch­en Regierungs­konsultati­onen in Jerusalem einerseits von einer „guten Partnersch­aft“sprach, anderersei­ts jedoch hinzufügte, dass diese durchaus „kritische Diskussion­en aushält“. Die Gesprächst­ermine der Kanzlerin und ihrer Minister mit ihren israelisch­en Amtskolleg­en hatten also zumindest in Teilen den Charakter von Belastungs­tests.

Dabei fiel es der Kanzlerin überhaupt nicht schwer, auch die deutsche Verantwort­ung erneut in den Mittelpunk­t zu stellen. Sie legte in Yad Vashem, der Gedenkstät­te für sechs Millionen ermordete Juden, einen Kranz nieder und erinnerte im Gästebuch an die Pogromnach­t vor fast 80 Jahren. „Daraus erwächst die immerwähre­nde Verantwort­ung Deutschlan­ds, an dieses Verbrechen zu erinnern und Antisemiti­smus, Fremdenfei­ndlichkeit, Hass und Gewalt entgegenzu­treten,“fügte sie hinzu. Zugleich verwies die Kanzlerin darauf, dass es wieder „blühendes jüdisches Leben“in Deutschlan­d gebe, das inzwischen „Teil der Identität Deutschlan­ds“geworden sei. Die Universitä­t Haifa verlieh der Kanzlerin für ihr deutsch-israelisch­es Engagement die Ehrendokto­rwürde. Bei einer Diskussion mit Studenten sagte Merkel, dass sie von der Gefährdung Israels durch eine atomare Bewaffnung des Irans „sehr, sehr überzeugt“sei.

Nach Gesprächen mit Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu verwendete sie jedoch die Formel, dass sich Israel und Deutschlan­d in der Iran-Frage im Ziel einig seien, im Weg dorthin jedoch nicht. Israel verlangt von Deutschlan­d, sich wie die USA vom Iran-Deal zu distanzier­en. Merkel will die Beteiligte­n hingegen dazu überreden, an dem Abkommen festzuhalt­en.

Offenbar aus Verärgerun­g über neue Siedlungsp­läne in den von Israel besetzten Gebieten war das im vergangene­n Jahr geplante Treffen beider Regierunge­n von Merkel abgesagt worden. In diesem Jahr belastete im Vorfeld die Entscheidu­ng der israelisch­en Regierung, die Beduinensi­edlung Chan al Ahmar abzureißen. Der Konflikt erreichte auch die deutsche Delegation, als Kinder und Jugendlich­e Merkel dazu auffordert­en, ihre Schule in Chan al Ahmar zu retten. Merkel berichtete, sie habe in ihrem Gespräch mit Netanjahu auch ihre Sorge über die Siedlungsp­olitik zum Ausdruck gebracht. Damit erschwere das Land die Bemühungen um eine Zweistaate­n-Lösung des Konfliktes mit den Palästinen­sern.

FDP-Außenexper­te Alexander Graf Lambsdorff forderte Merkel auf, den Worten über die Gründung eines deutsch-israelisch­en Jugendwerk­s baldmöglic­hst Taten folgen zu lassen. „Der vorhersehb­are Abschied von den letzten Überlebend­en des Holocaust macht eine solche Förderung des Jugendaust­ausches notwendig, um den Dialog über Geschichte und Zukunft der deutsch-israelisch­en Beziehunge­n aufrechtzu­erhalten“, sagte Lambsdorff unserer Redaktion.

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FOTO: DPA Merkel in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem.

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