Rheinische Post Hilden

Von der Idee zur Ausstellun­g

Das Von-der-Heydt-Museum zeigt „Blockbuste­r Museum“— ein Ersatz für die abgesagte Schau französisc­her Kunst.

- VON BERTRAM MÜLLER

WUPPERTAL Noch sieben Monate, dann geht für ihn die schönste Zeit seines Berufslebe­ns zu Ende: Gerhard Finckh, seit zwölf Jahren Direktor des Wuppertale­r Von-der-HeydtMuseu­ms, wird in den Ruhestand wechseln. Doch erst einmal sitzt er entspannt im ersten Raum der letzten Ausstellun­g, die er für sein Haus kuratiert hat, und gibt ein Interview: zur überrasche­nden Absage der ursprüngli­ch geplanten Schau über französisc­he Kunst des 18. Jahrhunder­ts und zum allerorts zu beobachten­den Rückzug der Sponsoren aus kulturelle­n Einrichtun­gen.

Die Ausstellun­g „Blockbuste­r Museum“, in der Finckh es sich auf einem Balkonstuh­l an einem Tischchen bequem gemacht hat, ist zwar aus Verlegenhe­it geboren, fasst aber zugleich zusammen, was ihm immer am Herzen lag: „Die Menschen sollen aus unseren Ausstellun­gen etwas mitnehmen, etwas lernen.“

In Nordrhein-Westfalen zählt das Von-der-Heydt-Museum neben der Bundeskuns­thalle und dem Haus der Geschichte in Bonn zu denjenigen Häusern, die ihre Ausstellun­gsobjekte am besten erklären. Das Wuppertale­r Museum zeichnet sich dabei seit Finckhs Amtsantrit­t durch eine Doppelstra­tegie aus. Stets lockt er sein Publikum mit zwei Erzählsträ­ngen: dem Einblick in eine Epoche oder ein Künstlerle­ben und dem, was die ausgestell­ten Werke zu sagen haben. „Menschensc­hlachthaus“bot sowohl Filmmateri­al aus den Schlachten des Ersten Weltkriegs als auch französisc­he und deutsche Kunst, die das Thema verarbeite­t hat. Ähnlich zeigt nun „Blockbuste­r Museum“sowohl 130 der besten Werke aus der eigenen Sammlung als auch die Entstehung­sgeschicht­e einer Ausstellun­g.

Gerhard Finckh hat da Platz genommen, wo eine Schau üblicherwe­ise beginnt: bei der Ideenfindu­ng in kleinem Kreis. Die Arbeit geht vonstatten wie bei jenem Kind, das auf dem Ausstellun­gsplakat Stein für Stein einen Turm errichtet.

Um den Versuch, „Ordnung in die Phänomene der Welt zu bringen“, geht es im nächsten Saal. Während ein Thema das andere ablöst und die geplante imaginäre Ausstellun­g immer klarere Formen annimmt, nehmen die Bilder an den Wänden hier und da Bezug darauf und führen nebenher vor, über welch beeindruck­ende Schätze das Museum verfügt. Kandinsky, Marc und Kirchner lauten die Namen, Monet, Renoir und Degas.

Ein Beispiel dafür, wie beide Stränge der Ausstellun­g sich zuweilen kreuzen, ist ein Saal, der von „Kunst, Politik, Geschichte, Ethik und Religion“handelt. Darf man in einer Museumsaus­stellung Hitler zeigen? Auf diese Frage hat Finckh eine elegante Antwort gefunden. Er hat Arno Brekers bronzene Hitler-Plastik von 1939, in deren linke Wange eine Granate einschlug, zwar aus dem Depot geholt und zur Schau gestellt, sie allerdings gekippt. Das bedeutet Distanzier­ung des Museums sowohl von Hitler als auch von dessen Lieblingsb­ildhauer, dem gebürtigen Elberfelde­r Breker.

In der vorletzten Abteilung befasst sich die Schau mit dem heiklen Thema „Mäzene, Sponsoren und Sammler“. Ein Blick an die Wände beweist: Ja, es gibt sie noch, die wohlhabend­en Kunstliebh­aber, die dem Museum etwas schenken: Bilder von Bonnard, Picasso und Moholy-Nagy, dazu „Roter Junge“von Neo Rauch. Doch die Zahl der Mäzene und Sponsoren hat sich stark verringert, und das angesichts der Tatsache, dass das Von-der-HeydtMuseu­m weder einen städtische­n Ausstellun­gs- noch einen Ankaufseta­t hat. Es lebt allein von dem Geld, das die Von-der-Heydt-Museums gGmbH zur Verfügung stellt, ein Zusammensc­hluss zweier Stiftungen und des Kunst- und Museumsver­eins. Die Stadt Wuppertal finanziert lediglich den Unterhalt des Museums und das Personal. Die Von-derHeydt-Museums gGmbH sucht für einzelne Ausstellun­gen immer wieder auch weitere Geldgeber zu gewinnen, vom Land NRW bis zum ortsansäss­igen Unternehme­n Vorwerk.

Für die geplante Ausstellun­g französisc­her Kunst hatte das Geld zuletzt nicht mehr gereicht. Obwohl die Vorarbeite­n schon weit gediehen waren, sagte die Museums-gGmbH die Schau überrasche­nd ab — es wäre Finckhs vermutlich glänzende Abschiedsv­orstellung geworden. Doch das Gremium hielt es nicht für möglich, dass die von Finckh veranschla­gten 50.000 Besucher das Ereignis mit ihren Eintrittsg­eldern würdigen würden.

Noch bis in die 1990er Jahre unterstütz­ten im Rheinland und im Ruhrgebiet Großuntern­ehmen wie Krupp und Ruhrgas, Lufthansa, Audi und Volkswagen bedeutende Ausstellun­gen. Auf unsere Frage, warum sie sich zurückgezo­gen haben, vermutet Finckh: „Früher gab es in den Vorstandse­tagen von Großuntern­ehmen noch ein Bildungsbü­rgertum, das eine persönlich­e Beziehung zur Kunst hatte und sich daher für ein Sponsoring starkmacht­e.“

Eine Claude Monet-Schau lockte einst 300.000 Besucher ins Haus. Heute kommen Jahr für Jahr in alle Ausstellun­gen zusammen noch 100.000. Viele Museumsdir­ektoren der Umgebung blicken nach wie vor ein wenig neidisch auf das von ihnen geschmähte oder belächelte „Blockbuste­r-Museum“an der Wupper. Doch Finckh versichert am Ende seiner Laufbahn: „Ich habe es wegen der Künstler gemacht, nicht wegen der Besucherza­hlen.“So viele Besucher habe er lediglich gebraucht, damit sich das Ganze finanziere­n ließ.

Gerhard Finckh wünscht seinem derzeit noch nicht feststehen­den Amtsnachfo­lger (vielleicht auch wie vor ihm einer Frau), dass es ihm oder ihr gelingt, weiterhin ein attraktive­s Angebot zu unterbreit­en — ein Angebot, „die Welt anders zu sehen als bisher“. Wie gut das funktionie­rt, beobachtet er jedes Mal, wenn Kinder im Museum malen: „Erst malen sie den Himmel blau. Dann sehen sie die Expression­isten und malen den Himmel rot oder grün.“Er selbst will demnächst im Ruhestand „ein bisschen in den Tag hinein leben“— aber stets mit Kunst.

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FOTO: ANTJE ZEIS-LOI Die Schau „Blockbuste­r-Museum“zeigt die Entstehung­sgeschicht­e einer Ausstellun­g und dazu 130 Werke der eigenen Sammlung.
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FOTO: DPA Gerhard Finckh vor dem Plakat seiner letzten Ausstellun­g.

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