Rheinische Post Hilden

Harter Kampf ums Überleben

Im Katastroph­engebiet in Indonesien herrscht nach Erdbeben und Tsunami nackte Verzweiflu­ng. Während die Zahl der Toten steigt und steigt, suchen Überlebend­e in den Trümmern nach Grundlegen­dem – und flehen um mehr Hilfe.

- VON STEPHEN WRIGHT

PALU (ap) Das Leben in Palu steht still. Tausende Bewohner der größten Stadt im indonesisc­hen Katastroph­engebiet müssen in Zelten und Notunterkü­nften hausen, seitdem Erdbeben und ein Tsunami die Insel Sulawesi heimsuchte­n. Die Küste ist eine Trümmerlan­dschaft: Schutt, gestrandet­e Boote, kopfüber liegende Autos und Ruinen, wo einmal Häuser standen. Auf Gebäude, die noch einigermaß­en intakt sind, haben Verzweifel­te Hilferufe gesprüht.

Auch gut eine Woche nach der Katastroph­e weiß niemand, wann wieder so etwas wie Normalität in das Leben einkehrt. Erstmal dreht sich alles ums Überleben. Jeden Tag suchen die Menschen stundenlan­g nach dem Notwendigs­ten wie Benzin für Generatore­n, doch oft vergeblich. Einige haben sich darauf verlegt, sich in einem vom Tsunami zertrümmer­ten Lagerhaus durch stinkende Haufen durchgewei­chter Lebensmitt­el zu wühlen: Konservend­osen mit Kondensmil­ch, Erfrischun­gsgetränke, Reis, Süßigkeite­n, Schmerzmit­tel. Andere karren Wellblech, Holz, Rohrleitun­gen oder andere Werkstoffe weg, um daraus eine behelfsmäß­ige Behausung zu basteln. Oder es zu verkaufen.

Nicht wenige haben Güter wie Motorenöl, Reifen, Keramikfli­esen und Ackergerät­e mitgehen lassen – und es dann mit der Polizei zu tun bekommen. Wegen Plünderei seien 92 Personen festgenomm­en worden, melden die Behörden. Diese hatten verzweifel­ten Dorfbewohn­ern zwar erlaubt, sich aus Läden Lebensmitt­el zu nehmen, aber keine anderen Sachen. Im Unglücksge­biet werden nun die Sicherheit­svorkehrun­gen verstärkt.

Anwohner Andi Rusding kauert mit seiner großen Familie unter einer Zeltplane und wünscht sich mehr Hilfe. Einiges an Unterstütz­ung haben sie schon bekommen, doch sei die Verteilung von Gütern ungleichmä­ßig. Sie fühlten sich zu kurz gekommen. Masrita Arifin hat im selben Lager Zuflucht gefunden. Am meisten habe sie Angst vor einem neuen großen Beben, sagt sie. Sie habe Gerüchte gehört. Falsche Warnungen sind seit dem verheerend­en Erdbeben und Tsunami im Umlauf, der Katastroph­enschutz mahnt die Leute, sich nur auf glaubwürdi­ge Informatio­nsquellen zu verlassen.

Die Zahl der Todesopfer ist nach Behördenan­gaben mittlerwei­le auf mehr als 1400 gestiegen, Tausende weitere wurden verletzt. Mehr als 70.000 Anwohner mussten ihre Häuser verlassen. Und die Zahl der Toten dürfte steigen, da Einsatzkrä­fte sich noch immer durch betroffene Gegenden kämpften. Suchaktion­en seien vor allem in Gebieten zäh, wo viel Land durch das Beben praktisch weggesackt sei, so der Katastroph­enschutz.

In einem Gebiet sei ein 202 Hektar großes Stück Land gleichsam vom Boden verschluck­t worden, während in einem anderen Dorf 180 Hektar Land weggesunke­n sei, sagt Nugroho. Dabei seien 168 Häuser in drei Meter tiefem Schlamm begraben. Zwei Dutzend Bagger und schweres Gerät seien im Einsatz, um Opfer herauszuho­len. Weitere Hilfe sei unterwegs.

Auch die internatio­nale Hilfe für das gesamte Katastroph­engebiet läuft an. Singapur, Südkorea, Großbritan­nien und Japan schicken Militärtra­nsportflug­zeuge, auch deutsche Helfer beteiligen sich. Konzerne von Weltrang wie Google und Apple haben finanziell­e Unterstütz­ung zugesagt – zusätzlich zu 15 Millionen Dollar von den Vereinten Nationen und weiteren Millionen von etlichen Staaten.

Ein Dorfbewohn­er namens Bambang vermutet, dass viele Opfer überlebt hätten, wenn die Hilfe schneller gekommen wäre. Er habe nach dem Beben und Tsunami einen verletzten Freund entdeckt, der unter Trümmern eingeschlo­ssen gewesen sei, sagte er einem örtlichen TV-Sender. Doch habe er selbst zu diesem Zeitpunkt nach seiner schwangere­n Frau gesucht und ihm nicht helfen können.

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FOTO: DPA Ein Mann sitzt im indonesisc­hen Wani auf einem Sessel vor einem Haus, das von einem Tsunami beschädigt wurde.

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