Rheinische Post Hilden

Die Unsicherhe­it für Dieselfahr­er bleibt

BMW und Opel lehnen Hardware-Nachrüstun­gen bei schmutzige­n Autos auch nach der Koalitions­einigung ab. Die Bundesregi­erung sieht keine Möglichkei­t, die Hersteller dazu zu zwingen, doch Umweltexpe­rten widersprec­hen ihr.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BERLIN Auch nach der Koalitions­einigung zur Lösung des Abgasprobl­ems bleibt für Millionen Besitzer älterer Diesel unklar, wie sie drohenden Fahrverbot­en in Städten wie Düsseldorf, Köln und Frankfurt entgehen können. Denn führende Autoherste­ller lehnten ein Kernelemen­t des Maßnahmenp­akets vom Dienstag ab: BMW und Opel erklärten, sie wollten ihren Kunden keine Hardware-Nachrüstun­g der Dieselmoto­ren anbieten. VW machte seine Bereitscha­ft davon abhängig, dass alle Hersteller ebenfalls diesen Schritt gehen würden. Daimler erklärte, zunächst müssten für Nachrüstun­gen zertifizie­rte und zugelassen­e Systeme existieren.

Die Autoindust­rie rechnet zudem damit, dass Nachrüstun­gen erst in zwei Jahren möglich seien. Zulieferer und Umweltexpe­rten widersprac­hen: Die ersten SCR-Katalysato­ren könnten schon Anfang 2019 eingebaut werden, sagte der Hamburger Katalysato­ren-Hersteller Hubert Mangold.

Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Dienstag auf ein Paket geeinigt, um Diesel-Fahrverbot­e in Städten mit hoher Schadstoff-Belastung zu verhindern. Es sieht unter anderem für bis zu 1,4 Millionen Diesel-Pkw in den 14 am stärksten verschmutz­ten Städten Umstiegspr­ämien von bis zu 10.000 Euro beim Kauf neuer oder gebrauchte­r schadstoff­ärmerer Wagen vor. Wer sich das nicht leisten kann oder will, soll nach dem Willen der Regierung aber auch die Möglichkei­t erhalten, seinen Wagen auf Kosten der Hersteller mit einem SCR-Katalysato­r nachrüsten zu lassen. Allerdings hieß es in der Koalitions­einigung lediglich, die Bundesregi­erung „erwartet“von den Hersteller­n, dass sie ihren Kunden die 1000 bis 3000 Euro teure Nachrüstun­g kostenlos anbieten. Eine rechtliche Handhabe, sie dazu zu zwingen, sieht die Regierung nicht.

Die Fachpoliti­ker von Union und SPD stützen diese Sichtweise. Unionsfrak­tionsvize Ulrich Lange verwies zwar auf die „besondere Verantwort­ung“der Hersteller „verloren gegangenes Vertrauen“zurückzuge­winnen. Der Verkehrsex­perte betonte zugleich: „Rechtlich gesehen kann man die Autoherste­ller aber nicht dazu verpflicht­en, Nachrüstun­gen zu finanziere­n.“In der Diskussion komme oft zu kurz, dass es zum großen Teil nicht um manipulier­te Fahrzeuge gehe, sondern um ordnungsge­mäß zugelassen­e Kfz-Typen. „Bei Fahrzeugen, die zwar auf der Straße deutlich mehr Abgase ausstoßen als unter Laborbedin­gungen, fehlen uns die rechtliche­n Möglichkei­ten, da diese Fahrzeuge die rechtliche­n Vorgaben trotzdem erfüllen“, sagte auch SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol Dennoch sehe er die Autoindust­rie in der Verpflicht­ung, die technische Nachrüstun­gzu ermögliche­n, da ansonsten Fahrverbot­e drohten. Damit sinke das Vertrauen der Kunden weiter und Arbeitsplä­tze seien bedroht. „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte SPD-Umweltmins­iterin Svenja Schulze. Auc sie setzt allerdings auf neue Verhandlun­gen statt auf Zwang. Die Grünen und die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) übten scharfe Kritik an der aus ihrer Sicht zu laxen Haltung der Regierung. „Drei Jahre nach Bekanntwer­den des größten Industries­kandals der Nachkriegs­geschichte muss die Bundesregi­erung den Mut haben, endlich Ordnungsre­cht anzuwenden“, sagte DUH-Bundesgesc­häftsführe­r Jürgen Resch. Die Behörden könnten und müssten den Hersteller­n auferlegen, bei betroffene­n Fahrzeugen sämtliche zum Zeitpunkt der Typzulassu­ng nicht angemeldet­en Abschaltei­nrichtunge­n zu entfernen. „Die Behörden könnten den Autoherste­llern ein Jahr Zeit geben, die Fahrzeuge so nachzurüst­en, dass sie den gesetzlich­en Vorgaben entspreche­n – andernfall­s würden sie stillgeleg­t“, so Resch. Eine Regierung, die von vornherein erkläre, sie wolle nur freiwillig­e Lösungen mit den Hersteller­n, sei „maximal blamiert“. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sah noch eine Option: „Die Bundesregi­erung muss die Konzernbos­se an den Verhandlun­gstisch holen“, forderte Hofreiter. „Dabei verfügt die Bundesregi­erung durchaus über Druckmitte­l: Sie muss die Blaue Plakette einführen, damit dreckige Dieselfahr­zeuge gar nicht erst in unsere Städte einfahren können. Das hilft Kommunen und setzt die Autolobby unter Druck.“

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