„Fußball ist für mich ein 24-Stunden-Job“
Gladbachs Abwehrchef spricht über Veränderungen bei Borussia und sagt, warum Professionalität wichtig ist.
MÖNCHENGLADBACH Matthias Ginter (24) ist Abwehrchef bei Bundesligist Borussia Mönchengladbach und spielt beim Neustart des DFBTeams nach der WM eine Rolle. Thomas Grulke und Karsten Kellermann sprachen mit ihm.
Herr Ginter, sind Sie ein Gesicht des Neuanfangs beim DFB? Haben Sie persönlich vom schlechten Abschneiden bei der WM profitiert? Ginter Ich tue mich schwer, das zu sagen. Ich bin seit 2014 in der Mannschaft, also schon ein paar Jährchen. Neben der WM in Brasilien durfte ich ja auch am Confed-Cup und den Olympischen Spielen teilnehmen. Nichtsdestotrotz war es für mich eine besondere Ehre, die Länderspiele nach Russland bestreiten zu können, weil die Fans zurecht eine Reaktion erwartet haben. Ich finde, dass wir es auch ganz gut gemacht haben. Nächste Woche wollen wir den nächsten Schritt machen.
Sie sind bei Joachim Löw jetzt rechter Verteidiger. Das wollten Sie eigentlich nicht mehr sein, sondern Innenverteidiger.
Ginter (lacht) Ich bin ja nach Gladbach gekommen, um eine feste Position zu haben. Und ich wollte vor allem kein Sechser mehr sein.
Haben Sie darüber nachgedacht, bei Borussia von innen nach außen zu wechseln in der Viererkette? Ginter Dieter Hecking kennt ja die Situation, weiß auch, wie ich als Rechtsverteidiger in Dortmund und der Nationalmannschaft gespielt habe. Wenn ich Gladbach-Trainer wäre, würde ich mich aufgrund der Kaderzusammenstellung aber auch als Innenverteidiger aufstellen. Wir haben ja im Sommer einen Innenverteidiger abgegeben und einen Rechtsverteidiger geholt.
Am Samstag in München treffen
Sie auf alle die, die im Nationalteam Innenverteidiger sind: Boateng, Hummels, Süle. Ist das Spiel bei den Bayern für Sie auch eine Art Konkurrenzkampf?
Ginter Im Nationalteam sieht mich der Bundestrainer ja eher als Rechtsverteidiger. Außerdem geht es in dem Spiel nicht um Einzelne, sondern darum, als Mannschaft eine gute Leistung abzurufen und zu zeigen, dass wir dort mithalten können.
Vergangene Saison hat das 30 Minuten lang geklappt, dann gab es fünf Gegentore. Das tat weh, oder? Ginter Nicht nur als Verteidiger tut ein 1:5 weh. Wir haben uns, leider nicht zum ersten Mal in der Saison, auseinandernehmen lassen. Aber auch aus solchen schmerzlichen Erfahrungen kann man etwas lernen.
Was?
Ginter Wichtig ist, dass wir unseren Plan durchziehen und als Mannschaft zusammenbleiben.
Sie haben nach dem 3:3 gegen Hoffenheim in der vergangenen Saison angemerkt, dass der eine oder andere etwas professioneller arbeiten könnte. Hat sich das geändert? Ginter Es hat sich viel verändert. Ich will nicht sagen, dass ich das angeschoben habe. Aber schon als ich nach dem WM-Urlaub im Trainingslager am Tegernsee ankam, habe ich gemerkt, dass ein ganz anderer Zug da ist. Auch im Team hinter dem Team hat es einige Veränderungen gegeben. Ich glaube schon, dass uns das gut tut.
Was wäre für Sie persönlich der nächste Schritt?
Ginter (grinst) Sechs Tore zu machen (Anm. d. Redaktion: vergangene Saison erzielte Ginter erstmals fünf Tore) und Kapitän zu werden?! Spaß beiseite: Ich betrachte generell jeden Tag einzeln und versuche jeden Tag ein bisschen voranzukommen, technisch, taktisch, physisch, psychisch, es gibt so viele Dinge. Daher setze ich mir eher sehr, sehr kurzfristige Ziele als langfristige. Die kommen dann von allein.
Sind Sie denn ein Typ? Oder ist kein Platz mehr für Typen wie es früher ein Mario Basler war, der gern auch mal eine geraucht hat?
Ginter Der Fußball wird immer schneller und entwickelt sich immer weiter. Er ist von der physischen Komponente her anspruchsvoller geworden, würde ich sagen, und der Druck wird immer größer, weil viel schneller junge Spieler nachrücken. Klar, man kann alles machen und auch alles essen, aber ich bin überzeugt davon, dass man das früher oder später auch merkt.
Ist der Fußball für verrückte Spieler also nicht mehr offen?
Ginter Ich glaube schon, dass es auch in der Bundesliga verrückte Spieler gibt. Oder ich sage lieber: außergewöhnliche Typen. Max Kruse zum Beispiel. Es ist allgemein sicher eine Frage, wie man grundsätzlich gestrickt ist. Man muss sich treu bleiben.
Und ein eigenes Brillen-Label wie Jerome Boateng es hat, wäre auch nicht Ihr Ding?
Ginter Es muss ja auch zu demjenigen passen. Ich habe mich eher dazu entschieden, die Stiftung zu gründen, das ist mein Weg. Eigentlich wollte ich das erst nach meiner Karriere machen, finde aber, es war jetzt ein guter Zeitpunkt.
Lenkt das nicht ab?
Ginter Man braucht auch etwas Abwechslung. Fußball ist für mich ein 24-Stunden-Job. Auch wenn kein Training oder Spiel ist, muss man sich zum Beispiel richtig ernähren. Aber ich bin der Meinung, dass man dennoch etwas haben sollte neben dem Fußball, und mir ist wichtig, etwas Nachhaltiges zu tun.
Jetzt mal ehrlich, Matthias Ginter, sind Sie ein Streber?
Ginter (lacht) Es ist tatsächlich so, dass ich solche Sprüche manchmal in der Mannschaft gedrückt bekomme. Aber es ist eben meine Einstellung, die ich mir früh angeeignet habe. Ich kann damit auch wirklich gut umgehen und bin nicht so verbissen, dass ich keinen Spaß verstehe.